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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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ehrfürchtig beinahe. Im Haus Nummer drei war auch
An der schönen blauen Donau
Kunst.
Gott, bin ich betrunken.
    In diesem Augenblick, mitten in der Dreiviertelströmung der straußschen Raumschiffdonau, erschien in der Tür des Saals eine kleine Gestalt und ließ den Walzer verstummen.
    Ließ alles verstummen.
    Der Saal war ganz still, die Nacht war still, die Stadt war still. Von einem Moment auf den anderen gab es keinen Soundtrack mehr zu dieser Geschichte.
    Svenja sah direkt in Nashvilles dunkle Augen.
    Er stand reglos da und starrte. Sein Blick bestand aus den schwarzen Pausen zwischen den Tönen, und erst als Svenja das dachte, merkte sie, dass es natürlich noch Töne gab, natürlich war es nicht still.
An der schönen blauen Donau
floss noch immer aus der Anlage, penetrant und störend jetzt, Stimmen waberten durch den Raum, die Schritte der Tänzer machten entnervende Schleifgeräusche auf dem unebenen Boden.
    »Verdammt, du solltest schlafen«, murmelte sie, kämpfte sich aus dem Sessel hoch und ging quer über die Tanzfläche zur Tür. Jetzt merkten auch Kater Carlo und Thierry, dass etwas nicht stimmte, und hielten in ihrem Tanz inne. Als Svenja Nashville erreichte, öffnete er den Mund, wie um etwas zu sagen – und schloss ihn wieder. Wie hatte er sie gefunden?
    »Ja?«, fragte Svenja. Sie merkte, dass sie sich am Türrahmen festhielt, um nicht zu fallen. Der Pitu kreiste in ihrem Kopf. Sie kniete sich hin und zog Nashville an sich, um ihn vor der Eigenartigkeit der Nacht zu beschützen.
    Doch in dem Moment, in dem sein Gesicht ihr Hemd an der Schulter berührte, schaltete jemand den Panikschalter in seinem Gehirn um. Er riss sich los und rannte: den Flur entlang, die Treppe hinunter … Svenja folgte ihm, aber die Stufen buckelten und schlugen aus, und sie war zu langsam. Als sie endlich draußen stand, war die Straße leer.
    »Nashville!«, rief Svenja in die Nacht. »Nashville? Wir sehen uns zu Hause! Zu! Hause! Ich suche dich jetzt nicht, hörst du? Ich! Suche! Dich! Nicht!«
    Die Dunkelheit war kein Automat, wieso erwartete Svenja, dass sie Antworten ausspuckte?
    »Jetzt«, sagte Friedel hinter ihr, »haben jedenfalls eine Menge Leute gesehen, dass es ihn gibt.«
    »Scheiße«, sagte Svenja. »Ich bin viel zu besoffen. Ich geh ein Stück. Frische Luft hilft vielleicht.«
    »Soll ich mitkommen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich brauche die frische Luft für mich alleine.«
     
    Am Ende der Ulrichstraße lag eine Kirche mit einem bauklotzartigen Betonturm, auf den die Nacht sich nur ungern setzte. Dahinter führte ein Pfad durchs Gebüsch zu einer Wiese mit einem Spielplatz. Svenja setzte sich auf eine der Schaukeln und stieß sich mit den Füßen ab.
    Ihr wurde schwindelig vom Schaukeln, die ganze Spielplatzwiese drehte sich unter dem Nachthimmel, aber vielleicht half es, vielleicht musste ihr so schwindelig werden, dass sie kotzte, und hinterher wäre sie den Caipi los.
    Verdammt, eben war alles so wunderbar einfach gewesen. Sie hätte bis zum Morgen weitertanzen und trinken können, sie hätte Kater Carlo gerne gefragt, ob er auch mit ihr einen Walzer tanzte … Musste Nashville auftauchen? Es war nicht gerecht.
    Sie sprang in den Sand und blieb einen Moment sitzen. Plötzlich kam sie sich beobachtet vor.
    »Nashville?«, fragte sie und drehte sich um.
    Und dann sah sie den schwarzen Klumpen, der auf der Bank neben dem Sandkasten klebte. Ein Mensch, für Nashville zu groß. Er sah sie an. Saß da, Füße auf der Bank, Arme um die Knie geschlungen, und sah sie an, starr. Svenja konnte sein Gesicht nicht erkennen, die Kapuze seines Pullovers warf mehr Schatten, als die Nacht besaß.
    Ihr wurde ganz langsam kälter.
    »Suchst du wen?«, fragte der Mensch. Seine Stimme war jung, rau und fremd.
    »Ich …«, begann sie und fühlte, wie ihre eigene Stimme in einem Treibsandfeld aus Limettenstückchen und Angstschweißperlen versackte.
Nein. Ich suche niemanden. Ich kann ihn nicht dauernd suchen.
    »Schön«, sagte die Stimme von der Bank. »Du wirst ihn nämlich nicht finden.«
    Svenja saß ganz still, ihre Beine weigerten sich, aufzustehen. Eine Weile rauschte nur der Nachtwind in den Bäumen.
    »Svenja Wiedekind«, flüsterte der auf der Bank schließlich. »Glaub nicht, dass wir nicht wissen, wer du bist. Wenn ich jetzt aufstehe und zu dir rüberkomme, hast du Angst. Warum haben alle immer Angst vor uns?«
    »Wer«, fragte Svenja. …
sind Sie?
, wisperte die Nacht.
    »
Er
war auch einer

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