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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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von uns«, sagte der auf der Bank. »Aber das hat er dir nicht erzählt, was?«
    »Wen«, flüsterte Svenja. …
meinen Sie?
, murmelte der Wind.
    »Das weißt du ganz gut«, antwortete der auf der Bank. »Wir leben zwischen den Zeilen. Zwischen den Zeilen der Gesellschaft. Ich könnte sein wie du, weißt du? Auf Partys gehen, mich da besaufen. Du riechst fünf Meilen gegen den Wind nach diesem Zitronenzeug.« Er lachte. »Sie ist jetzt seit zwei Wochen weg«, sagte er dann ernst. »Du weißt nicht, wo sie ist?«
    »Ich … ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
    »Und der Kleine spricht nicht mehr. Was hast du mit ihm gemacht?«
    Da stieg auf einmal ein hysterisches Lachen in Svenja empor, die Angst kippte, dies alles war zu abstrus. »Gemacht?«, flüsterte sie. »Ich? Mit Nashville? Ich habe ihn gefunden, das ist alles. Ich füttere ihn durch.« Sie stand auf, plötzlich wagemutig, wütend. »Und wer immer Sie sind, Sie kriegen ihn nicht.«
    »Du aber auch nicht, Svenja«, sagte der auf der Bank. »Er gehört keinem. Menschen gehören nicht.«
    Da endlich drehte Svenja sich um und rannte. Sie duckte sich zurück durchs Gebüsch, hetzte an der abstrakten Kirche mit ihrem konkreten Betonturm vorbei, die ganze Ulrichstraße entlang, bis zum Haus Nummer drei, aus dem noch immer Bässe drangen. Vor dem Tor blieb sie stehen, versuchte, ihr Seitenstechen loszuwerden, sah sich um. Die Straße hinter ihr war leer. Sie wollte hineingehen, in die Kerzenwärme, alles erzählen. In den Arm genommen werden. Sie zitterte.
    Nein, das war gelogen, sie zitterte überhaupt nicht, sie stand nur da und keuchte, das war alles. Aus einem offenen Fenster hörte sie Friedels Stimme, ohne die Worte zu verstehen. Irgendwo dort tanzten Kater Carlo und Thierry vielleicht noch immer einen endlosen Walzer.
    Sie schloss das gelbe Fahrrad auf und fuhr nach Hause.
     
    Er war nicht da. Nashville war nicht in der Wohnung.
    Svenja stellte sich unter die Dusche, um die Erinnerung an den Spielplatz loszuwerden. Heißes Wasser würde vielleicht helfen. Es war vier Uhr morgens.
    Das heiße Wasser war eiskalt. Sie erinnerte sich erst nach einer Schocksekunde daran, dass der Boiler nicht immer funktionierte. Jetzt gerade funktionierte er eindeutig
nicht
.
    Sie war sehr wach, als sie aus der Dusche stieg. Im Klebefolienspiegel sah ihr ein zerzauster nackter Vogel entgegen, auf dem Kopf blonde Strubbelfedern. Sie rubbelte sich so lange ab, bis ihre Haut rot war und schmerzte, dann wickelte sie sich in ein trockenes Handtuch und holte den Umschlag ihrer Mutter von der Mikrowelle.
    »Ich wünsche mir«, murmelte sie, während sie ihn öffnete, »ich wünsche mir … eine kugelsichere Weste. Haha. Pfefferspray. Hahaha. Ich bin da in eine Sache reingeraten, die … Ich weiß nicht … Vielleicht war er wahnsinnig. Der auf der Parkbank. Aber Wahnsinnige können gefährlich werden … Ich wünsche mir ein magisches Schwert. So ein Plastik-Laserschwert, giftgrün, mit dem man als Kind alle Drachen und Monster und den Wetterbericht besiegen kann.«
    In dem Umschlag waren drei Tafeln Schokolade – die teure Bio-Vollmilch –, eine Packung Zigaretten und eine Kunstpostkarte. Auf der Postkarte sah man irgendetwas Abstraktes. Es war rot. Svenja drehte die Karte schnell um.
    Hier ein wenig Nervennahrung. Ich hoffe, alles läuft so, wie du es dir vorgestellt hast. Wann soll ich kommen? Mama.
    »Jetzt«, flüsterte Svenja. »Jetzt sofort. Hilf mir herauszufinden, was hier passiert. Sag mir, was ich mit Nashville tun soll. Koch meine Lieblingsnudelsoße, die Katleen garantiert nicht kann, und sing mich in den Schlaf.«
    Sie legte die Arme auf den Tisch und den Kopf darauf und schloss die Augen. »Nein«, wisperte sie. »Komm nicht. Ich kriege das alles alleine hin. Ich bin erwachsen.«
     
    Sie erwachte davon, dass das Handy klingelte. Sie saß noch immer am Küchentisch, in ein himmelblaues Handtuch gekleidet, vor sich den Stapel Schokoladentafeln. Sie tappte ins Bad und fand das Handy dort in ihrer Jeans.
    »Svenja?«, sagte Friedel. »Ich stehe vor dem Anatomiegebäude … Falls dich jemand fragt, du warst in Histo. Verstanden? Deine Unterschrift ist auf der Liste.«
    »Bitte?«, fragte Svenja verschlafen.
    Friedel lachte. »Da waren ja die Beispielunterschriften der letzten Male. Listen sind eine praktische Sache. Dann viel Spaß beim Anatomielernen.«
    »Anatomie?«, fragte Svenja.
    »Testat? Obere Extremität? Morgen? Du bist für zehn Uhr eingetragen,

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