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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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bevor ich kam. Schade.«
    »Vielleicht habe ich mir nur eingebildet, dass jemand mir gefolgt ist.«
    »Vielleicht habe ich mir auch nur eingebildet, dass ich meinen Job verloren habe«, sagte Friedel. »Das waren wir sozusagen feiern, die Jungs und ich. Kater Carlo hat ’ne Runde springen lassen. Und dann dachte ich, ich komme her und stecke ein Stück von mir in den Brunnen, um wieder nüchtern zu werden.«
    »Job?«, fragte Svenja. »Die Fahrradkuriersache? Warum?«
    Friedel zögerte. »Unregelmäßigkeiten im Dienst. Hab ein paar Sendungen verloren. Mal vergessen, aufzutauchen.« Er zuckte die Schultern. »Ich such mir was Neues.«
    »Wozu brauchst du überhaupt einen Job? Dein Vater, der Arzt … der zahlt doch bestimmt das Studium.«
    »Das Studium schon. Alles andere nicht. Wir sind ziemlich viel weg zurzeit … das bunte Leben fängt erst an, wenn du schlafen gehst, Svenja.« Er seufzte theatralisch. »Und ich brauche das bunte Leben. Ich … egal.«
    »Du was?«
    »Ich hasse dieses Studium«, sagte er, und dann, nachdenklich: »Hättest du ein Problem damit, wenn ich dich küssen würde? Ich weiß schon gar nicht mehr, wie das ist.«
    Sie hatte kein Problem damit. Er schmeckte nach einer Mischung aus Zigaretten, Bitter Lemon und Wahrheiten. Auf unerklärliche Art war er ihr näher als sonst.
    »Hör doch auf mit Medizin«, flüsterte Svenja. »Deine Eltern können dich nicht zwingen. Was würdest du denn gerne machen? Verrückten Kindern Buchstaben beibringen?«
    »Vielleicht«, flüsterte er zurück. »Aber so einfach ist das nicht. Es durchziehen und sich abends betrinken ist einfacher. Der Präp-Kurs ist das Schlimmste. Jeder gewöhnt sich an die Leichen. Ich mich nicht.« Er sah ins Wasser, wo ein nicht umgekehrtes Spiegelbild auf der Oberfläche lag.
    »Sag das jetzt keinem. Ich kotze nach jedem Präp-Kurs.«
    »Du?«
    Er zuckte die Schultern. »Und ich träume. Du träumst von deinem Wald, jeder hat seine eigenen Albträume … Weißt du, was
ich
träume? Es ist lächerlich. Ich träume, dass ich ein Stück von einer Leiche geklaut hätte. Letzte Nacht war es ein Arm, er lag in einer Stofftasche, zwischen den WG -Einkäufen. Das Ding triefte, und alles roch nach Formalin, alles, sogar die Zigaretten. Abstrus.«
    »Was genau hast du vorher geraucht?«
    »Haha«, sagte Friedel. »Du nimmst mich nicht ernst. Aber das ist okay.« Er löste sich von ihr und ließ sich rückwärts in den Brunnen fallen. Als er wieder hochkam, klebten ihm die nassen Rastalocken im Gesicht wie Seetang. Er streckte einen Arm nach Svenja aus.
    »Hey, nein!«, protestierte sie. »Ich bin viel zu nüchtern, ich …«
    Sie schaffte es, wenigstens die Hose auszuziehen, ehe er sie hineinzog. Das Wasser war warm und sehr, sehr flach. Sie paddelten um den Wasserspeier wie zwei Kinder, die Seehunde spielen, sie lachten leise, und Svenja vergaß ihre Angst. Es war, als wäre der Brunnen ein magischer, sicherer Ort. Sie verlor das zu weite Männerhemd und warf es über den Brunnenrand, sie balgte im Wasser mit Friedel, und irgendwie endeten sie in einer sehr engen Umarmung.
    »Hey«, sagte Friedel. »Du hier? Schon komisch, wo man dich überall trifft.«
    Sie fühlte seine Hände auf ihrer Haut. Er zog eine von ihnen zurück und kämpfte mit seinen eigenen Kleidern. Nasse Jeans können tückisch sein. Endlich gelang es ihm, sie loszuwerden. Sie lachten jetzt nicht mehr, hörten sich nur noch gegenseitig atmen. Alles außerhalb des Brunnens war sehr weit weg. Seine Hand glitt zwischen ihre Beine.
    »Warte!«, flüsterte Svenja. »Ist es eine ungeschriebene Regel, dass wir das hier immer an öffentlichen Plätzen tun?«
    Er ließ die Hand, wo sie war. »Besuch mich. Bei dir ist der Kleine.«
    »Ich besuche dich. Versprochen.«
    »Ach, echt?«, flüsterte er. »Das glaube ich nicht. Es wird wieder etwas passieren, was dich davon abhält. Du musst eine Wohnung streichen, du musst zu Katleen ziehen, du muss den dritten Weltkrieg verhindern …«
    »Sch, sch«, machte Svenja. »Du hast ja recht.«
    Wir sind Freunde
,
nur Freunde, wir können alles zusammen tun. Es gibt keine Konsequenzen.
    Das gemeinsame Herstellen einer rhythmischen Wellenbewegung ist übrigens ein physikalisch durchaus interessantes Experiment und insofern in einem Universitätsbrunnen durchaus angemessen. Sie dachte das Wort
Kondom
etwas zu spät, es war in der Ausstattung des Experiments nicht vorhanden, und das Experiment würde daher nicht in den Katalog

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