Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)
Muskelschichten des Beines und die Bauchorgane, glitschige, unästhetische Angelegenheiten. Katleen hätte sie vielleicht gern gezeichnet, aber Friedel war blasser als gewöhnlich.
»Natürlich«, sagte er und grinste. »Ist doch immer alles okay.«
Svenja holte tief Luft. »Was machst du am Sonntag?«
»Ich weiß nicht.« Friedels Gesicht wurde ein My weniger blass. »Was mache ich denn?«
»Einen Ausflug zum Österbergturm, mit Picknickkorb und Decke«, sagte Svenja.
Er nickte. »Klingt spannend.«
Sie fuhren mit dem Rad, Nashville saß hinten auf Svenjas Gepäckträger.
Sie fuhren die Stauffenbergstraße hinauf, wo sich die Verbindungshäuser aneinanderreihten wie Perlen auf einer Schnur: Perlen mit weitläufigen Gärten, vor denen unter großen, alten Bäumen große neue Autos parkten. Rosen rankten an Mauern empor, Efeu schlang sich um Treppengeländer. Hier also trafen sie sich, die Rhenanen, die Preußen, die von der Stuttgardia, die Germanen, die Normannen und wie sie alle hießen, um unter der schützenden Hand der alten Herren, die früher in der Verbindung gewesen waren, traditionell zu kämpfen und zu trinken. Vor allem zu trinken.
An einer steinernen Balustrade lehnten zwei Typen und rauchten, und Svenja sah auf ihren Wangen die Spuren der Säbel. Sie konnte nichts dagegen tun, dass ihr ein winziger Schauer den Rücken hinablief, kühl und … aufregend.
»Die sind doch alle rechts«, sagte Friedel.
»Quatsch«, sagte Svenja.
Er ließ sich zurückfallen, bis er dicht neben ihr fuhr.
»Würdest du mich lieben, wenn ich einen Schmiss im Gesicht hätte?«, fragte er ganz leise. »Wäre ich dann ein Held?« Er trat in die Pedale, ohne auf ihre Antwort zu warten.
Friedel – fechtend? Die Vorstellung war so irre, dass sie laut lachte.
»Du würdest dich aus Versehen dabei umbringen lassen!«, rief sie.
Und dann dachte sie an Nashvilles Worte:
Das war kein Messer, das war ein Degen oder ein Dolch. Sssssssscht! Sssssscht!
Sie drehte sich im Fahren zu Nashville um. Er lächelte, als wollte er etwas zu ihr sagen, das nichts mit Säbeln zu tun hatte. Er dachte nicht an Säbel. Als sie sich wieder nach vorne wandte, spürte sie, wie seine Hände sich in ihrer Jacke festhielten, obwohl die Straße weder steiler noch holpriger geworden war. Er legte seinen Kopf an ihren Rücken, und sie stellte sich vor, dass er noch immer lächelte.
Wir machen einen Ausflug.
Zum Österbergturm führte eine winzige Treppe links von der Straße weg: eine Treppe inmitten violett blühender Akeleien. Sie ließen die Räder stehen und stiegen die kleinen Stufen hoch, Stufen, wie gemacht für einen Ausflug mit Kindern.
Nashville trug den Picknickkorb. Aber er sah auch mit Picknickkorb nicht aus wie ein unschuldiges Kind auf einem Ausflug. Er ging wie jemand, der schleicht, er stieg wie jemand, der klettert, er stand wie jemand, der späht. Ein Stadtstraßen-Mowgli, dachte Svenja und lächelte.
Und dann – das großartige Ziel ihres Ausflugs – der Turm.
Er war weder hoch noch schön, er lag auf einem kleinen Platz inmitten von zaghaftem Vorstadtgebüsch, und seine Metalltür, graffitibesprüht, war verschlossen.
Nashville stand eine Weile still davor. Dann ließ er den Picknickkorb fallen, drehte sich um und ging stumm und eilig in das Vorstadtgebüsch hinein, einen Weg entlang zu einem leeren Spielplatz, wie gemacht für Ausflügler. Svenja und Friedel folgten ihm mit dem Korb. Das Vorstadtgebüsch ging hier über in höhere Bäume. Nashville kletterte in den höchsten von ihnen, ohne zu zögern.
»Er glaubt, von oben kann er klarer sehen«, erklärte Svenja. »Der Baum ist jetzt wohl der Ersatz für den Turm … Kann man von dort den Wald erkennen, du weißt schon, welchen? Die Roßwiesen liegen dazwischen.«
»Svenja«, sagte Friedel beunruhigt und sah zu Nashville hinauf, »was … was
macht
er?«
»Ich fürchte«, sagte Svenja, »er versucht es umgekehrt.«
Nashville hatte es tatsächlich geschafft, sich mit den Beinen an einen der höchsten, dünnsten Äste zu hängen. Jetzt ließ er los und hing nur in den Kniegelenken zehn Meter über Friedel und Svenja.
Svenja schloss die Augen. »Er kann das«, flüsterte sie. »Er fällt nicht.«
Sie fühlte Friedels Hand, die sich um ihren Arm krallte.
»Aber der Ast«, wisperte Friedel. »Der Ast wird brechen.«
Und dann brach er. Svenja öffnete die Augen im richtigen Moment, um ihn brechen zu sehen. Er brach nicht sofort, es geschah, wie Unfälle
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