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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Körper ausgebreitet hatte, schlug sie mit dem Kopf auf die steinernen Stufen.
     
    Er stand vor dem Haus und wartete. Seit einer guten halben Stunde. Sie kam nicht. Wo zum Teufel war die Frau? Sie hatte ihn am Nachmittag angerufen und um ein Treffen gebeten. Er war aus allen Wolken gefallen – nach all den Jahren. Sie hatten sich verabredet. Abends um halb neun vor ihrem Haus. Er hatte zugesagt, noch bevor ihm bewusst geworden war, was das bedeutete. Er musste also dorthin zurück. In diese kleine Gasse. Sie hatte keine Telefonnummer hinterlassen, und er wusste nicht einmal, wie sie mit Nachnamen hieß. Sie war für ihn immer nur Danas Nachbarin gewesen. Er sah zum x-ten Mal auf seine Uhr. Kurz nach neun. Es dämmerte, und er hörte den Lärm von der nahen Karlsbrücke. Die Touristen waren noch immer unterwegs. Hatten die denn nie Hunger? Hatten sie keine schmerzenden Füße? Wurden sie denn nie müde, kreuz und quer durch die Stadt zu laufen? Er dachte an jenen Abend vor fünfundzwanzig Jahren. Damals hatte hier selige Ruhe geherrscht. Es war fast zu ruhig gewesen. Keine Händler auf der Brücke, nur vereinzelte Spaziergänger, ein paar Studenten, Leute auf dem Weg nach Hause oder zu Freunden, vielleicht auf ein Bier in eine Kneipe in der Altstadt oder der Kleinseite. Er überlegte, ob er in die Kneipe an der Ecke gehen und ihr einen Zettel an die Klingel hängen sollte. Aber er wusste ja ihren Namen nicht. Er betrachtete die Namen an der Klingeltafel. Růžička, Janáček, Jones, Kousalová, Jedličková.
    Sein Handy klingelte. Er zog es aus seiner Jackentasche und meldete sich.
    »Wo steckst du, verdammt noch mal? Ich versuche schon den ganzen Tag, dich zu erreichen! Wozu hast du das Handy eigentlich, wenn du es nicht anmachst?«
    »Schön, dass du anrufst, Chérie. Danke der Nachfrage, mir geht es ganz gut, und dir?« Keine Spur Ironie in seiner Stimme, nur Freude, ein Lachen fast. Die einzige Frau heute, über deren Anruf er sich aufrichtig freute. Stille. Ihr Angriff war ins Leere gelaufen. Vielleicht wollte sie ihn doch noch zurückhaben. Ja, vielleicht war alles noch zu retten.
    »Ich meine das ernst, Chérie , ich vermisse dich – sehr.«
    » Das kann ich mir vorstellen«, schnaubte sie ins Telefon. Offenbar war sie ziemlich sauer.
    Gut so, dachte er, damit konnte er umgehen. Ganz im Gegensatz zu der eisigen Wut, die sie gezeigt hatte, als sie ihn mit seinem Betthasen erwischt hatte. Vielleicht sollte er es mit ein bisschen Annäherung versuchen.
    »Entschuldige, bitte, ich hatte mal wieder vergessen, den Akku aufzuladen. Kann ich irgendetwas für dich tun, mein Herz?« Nur nicht zu dick auftragen, bremste er sich. Das konnte sie überhaupt nicht leiden.
    »Na schön«, sagte sie, noch immer außer sich. Wäre sie am Abend zuvor nicht auf Papiere gestoßen, die sie bis ins Mark getroffen hatten, dann hätte sie sicher nicht versucht, ihn den ganzen Tag über zu erreichen. Ohne Erfolg allerdings. Beruhige dich, dachte sie, ganz ruhig. Es fiel ihr unendlich schwer, das Zittern aus ihrer Stimme herauszuhalten, als sie ihn aufforderte: »Sag mir, dass es nicht wahr ist!«
    »Dass was nicht wahr ist?«, fragte Jay verständnislos.
    »Dass du Magdas Tante auf dem Gewissen hast, du Dreckskerl! Dass du mich belogen hast, die ganze Zeit! Dass du nicht bist, wer du behauptest zu sein, dass...« Sie schluchzte. »Was hast du nur getan?«, flüsterte sie.
    »Wer hat dir das gesagt? Von wem hast du das?« Er zwang sich, ruhig zu bleiben. Er konnte alles abstreiten. Er konnte alles zugeben und sie um Verzeihung bitten. Am Telefon? Verdammt noch mal, wer hatte ihr das alles erzählt? Niemand, dachte er resigniert, die Zeitungen berichteten immer noch begeistert von der Mumie. Aber was sollte das mit Magdas Tante? Wovon sprach sie eigentlich?
    »Ich will wissen, ob das alles wahr ist, Jay. Ich kann es nicht glauben – Wo bist du? Ich will mit dir reden.«
    »Ich habe gar nichts getan. Was ist mit Magdas Tante? Ich kenne Magdas Tante nicht, verdammt! Und ich habe niemanden auf dem Gewissen, Xenia. Glaub mir. Bitte!«
    »Dana Volná war Magdas Tante. Du bist Honza Krasnohorský. Der, von dem dieser anonyme Kerl gesprochen hat, der Larissa angerufen hat. Spar dir die Mühe, das abzustreiten, ich habe deine Geburtsurkunde gefunden und die Papiere über die Namensänderung. Du hast sie umgebracht. Großer Gott, Jay, wie konntest du das nur tun?«
    »Xenia, bitte, beruhige dich! Ich kann dir alles erklären. Bist du zu

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