Nasses Grab
einfach weitergelaufen, als habe sie ihn nicht gehört. Sie ist wütend an mir vorbeigerannt …«
Kann ich mir vorstellen, da ging es ihr ganz wie mir, dachte Anděl, der sich nur mit Mühe beherrschen konnte.
»… und dann hat er noch etwas gesagt – nein, eher geflüstert. Wenn ich ihn in dem Moment nicht angesehen hätte, hätte ich es nicht verstanden. Er sagte ›Dana‹ .«
»Und Sie haben mir nichts davon gesagt?« Anděl sprang auf, und sein Stuhl flog krachend zu Boden. »Verdammt noch mal, was glauben Sie eigentlich, was Sie hier tun? Halten Sie sich für Bob Woodward, oder was? Das ist kein Spielchen, Frau Redakteurin!« Er schlug mit der Hand auf den Tisch. »Ich fasse es einfach nicht – Sie hören das alles und sagen nichts?«
Die anderen starrten Larissa und Anděl fassungslos an. Niemand von ihnen hatte den Kommissar je so aufgebracht gesehen.
»Beruhigen Sie sich, David. Immerhin hat sie es uns nun mitgeteilt …«, sagte der Staatsanwalt versöhnlich.
»Ja, aber zu spät, verdammt noch mal! Alena Freeman ist tot! Hora auch – womöglich hat der Mann die beiden auf dem Gewissen, und dieses Kälbchen hier spielt die große Enthüllungsjournalistin! Anstatt mich anzurufen, wollte sie erst mal allein mit ihm sprechen! Was wollten Sie tun? Die Sache im Alleingang lösen? Noch eine Titelgeschichte in diesem Saftblatt veröffentlichen? Worauf sind Sie aus? Den Pulitzer-Preis?« Anděl bebte vor Wut. Hätten sie das alles gewusst, sie hätten Alena vielleicht retten können. Und womöglich auch Milan Hora. Nun waren sie beide tot.
Larissa starrte Anděl entsetzt an. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie hatte wirklich nicht mehr daran gedacht. Hatte das alles schlicht vergessen, als sie den toten Mann in der Wohnung gefunden hatte. Sie hatte Anděl anrufen wollen, aber dann hatte sie die Stimme des anonymen Anrufers in der Rezeption gehört und Horas Telefonnummer herausgefunden... Sie hatte doch nur mit ihm sprechen wollen, bevor – o Gott -, und nun war sie schuld, dass Alena … Es war nicht auszudenken. Tränen liefen ihr die Wangen herunter. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen.
Anděl atmete tief ein und fuhr sich durch die braunen Locken.
»Entschuldigen Sie meinen Ausbruch bitte«, sagte er, so ruhig, wie es ihm seine Erregung erlaubte. Er hob seinen Stuhl auf und setzte sich wieder, holte eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche, zündete sich eine an und warf das Päckchen auf den Tisch.
Magda kramte eine Packung Taschentücher hervor und reichte sie Larissa. Die junge Journalistin nahm sie, dankte kaum hörbar und stand zitternd auf. »Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment«, flüsterte sie und ging zur Tür.
»Am Ende des Gangs, links«, sagte Meda.
Larissa nickte und schloss leise die Tür hinter sich.
Nebeský nahm Anděls Zigaretten. »Darf ich?«, fragte er und zog sich eine raus. Anděl nickte. Er war noch immer fassungslos. Nebeský zündete sich die Zigarette an und zog daran, als hinge sein Leben davon ab. Er blies den Rauch geräuschvoll in die Luft.
»Du rauchst?«, fragte Anděl verwirrt. »Ich dachte …«
»Nein. Ich rauche«, erwiderte Nebeský trocken. »Einen Whisky auf den Schreck gibt’s ja wohl nicht, oder?«
»Sie ist tot?«, flüsterte Xenia. »Alena Freeman ist tot?« Was für ein Albtraum, dachte sie, und es wurde immer nur noch schlimmer, seit sie gestern diese Papiere gefunden hatte.
»Ja, und dieser Mann, der Larissa angerufen hat, Milan Hora, auch«, sagte Magda. »Es ist schrecklich. Larissa hat Milan tot in seiner Wohnung gefunden, gestern Mittag. Und gestern spätabends wurde Alena in der Metro an der Staatsoper erschossen.«
Staatsanwalt Otčenášek sah Xenia an.
»Was wissen Sie von alldem, Madame?«, fragte er. Er konnte Anděls Wutanfall gut verstehen. Hätte die eifrige junge Dame doch nur früher gesagt, was sie gehört hatte. Aber es half nichts mehr. Sie hatte es sicher nicht absichtlich verschwiegen. Ein sympathisches Mädchen, nun, die Standpauke hatte gesessen. Erstaunlich, zu welcher Leidenschaft der sonst so besonnene und ausgeglichene David Anděl fähig war. Ja, diese stillen Wasser …
»Larissa hat recht«, unterbrach Xenia seine abschweifenden Gedanken. »Jay ist Jan Krasnohorský. Das ist alles, was ich weiß.«
»Hat er es Ihnen gesagt?«
»Nein, ich habe alle seine Sachen zusammengepackt, gestern«, sie blickte peinlich berührt in die Runde. »Ich habe ihn vor ein paar Wochen rausgeworfen... Ich
Weitere Kostenlose Bücher