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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Großmutter zu ihrer Mutter, die noch immer regungslos dasaß, die Hände im Schoß verschränkt und so verkrampft, dass die Knöchel weiß hervortraten.
    »Ist das alles wahr?«, fragte Magda schließlich tonlos.
    Milena nickte. »Ja, Liebes. Es ist wahr. Verzeih mir, bitte. Ich wollte dir nie wehtun. Es tut mir unendlich leid, wenn ich es doch getan habe.« Ihre Worte waren ein bloßes Flüstern.
    Magda stand langsam auf und ging mit schleppenden Schritten zur Tür. Auf dem Weg zog sie ihren Laborkittel aus und hängte ihn neben der Tür an einen Haken. Sie drehte sich um und sah die beiden mit einem traurigen Lächeln an. Sie wusste nicht, was sie denken, geschweige denn fühlen sollte. Sie brauchte Zeit, um sich in dieser neuen Situation zurechtzufinden.
    »Es ist schon in Ordnung«, sagte sie leise, »ich weiß, dass ihr nur das Beste wolltet. Aber ich – ich muss ein bisschen nachdenken. Allein, okay?« Sie öffnete die Tür und ging hinaus. Sie drehte sich noch einmal um.
    »Und passt inzwischen auf Larissa auf. Sie soll nicht weggehen.«
    Ihre hohen Absätze klapperten auf dem Flur, als sie immer schneller zum Ausgang lief.
     
    Antonín Cajthaml saß an einem Tisch auf der Terrasse der Pizzeria Einstein, schräg gegenüber dem Hühnchen in der Uhr. Seit längerer Zeit beobachtete er inzwischen das Haus, in dem vor gut zwei Stunden Honza Krasnohorský verschwunden war. Herausgekommen war er bisher nicht wieder. Ein paar andere Leute waren ebenfalls hinein- und hinausgegangen. Er hatte von allen Fotos gemacht. Das hatte Anděl ihm zwar nicht aufgetragen, aber der junge Polizist fotografierte gerne. Übung konnte nicht schaden.
    Er bestellte noch eine Cola. Die vierte. Vielleicht sollte er auf etwas anderes umsteigen.
    Eine junge Frau kam vom Bahnhof her die Seifertova-Straße hinauf. Sie überquerte die kleine Víta-Nejedlého-Straße und ging zielstrebig zu dem Hauseingang, den er beobachtete. Verdammt, das ist doch … Er schaute durch den Sucher der Kamera. Tatsächlich, sie war es, aber sie hätte doch im Präsidium sein sollen. Cajthaml schoss ein Foto, bevor die Frau im Haus verschwand. Vielleicht sollte er Anděl anrufen. Aber Meda wusste sicher, was sie tat. Na, das war nicht sein Problem.
    Die hübsche Bedienung brachte seine Cola. Er ließ den Hauseingang nicht aus den Augen. Ein alter Mann kam mit schnellen Schritten die Seifertova-Straße hinunter, bog um die Ecke und blieb an der Haustür stehen, in der vor ein paar Minuten die junge Frau verschwunden war. Cajthaml drückte auf den Auslöser. Er hatte den Mann nur von schräg hinten auf dem Foto – besser als gar nichts. Der Mann zog etwas aus seiner Hosentasche und verschwand kurz darauf im Haus. Er kam dem jungen Beamten bekannt vor. Ach was, dachte er, alte Männer sahen sich alle irgendwie ähnlich. Er nippte an seiner Cola. Neben ihm unterhielten sich zwei junge Frauen über ihre Pläne für den Abend.
    »In die Reduta?«, fragte die eine empört, »in diesen alten Jazzclub? Das meinst du doch wohl nicht ernst! Ich wollte tanzen gehen! Da bin ich schon mal in Prag, und du willst in einen Jazzclub?«
    »Mein Vater sagte, der sei toll. Er ist da auch immer hingegangen, als er hier studiert hat«, antwortete die andere trotzig.
    »Klar, Jana – das war vor hundert Jahren! Damals gab’s nichts anderes. Kennst du keine Disco? Ach, Mist, ich hätte Klára fragen sollen, die kennt sich hier aus. Sie besucht hier oft ihre Oma.«
    »Wir könnten doch«, sagte die erste und warf Cajthaml einen scheuen Blick zu, »wir könnten doch ihn fragen.« Sie nickte in seine Richtung.
    Er lächelte sie aufmunternd an. Das andere Mädchen betrachtete ihn einen Moment lang skeptisch, dann nickte es. Seine Freundin wandte sich an Cajthaml.
    »Entschuldigen Sie, wir sind für ein paar Tage in der Stadt und möchten gern abends irgendwo tanzen gehen …«, sie zuckte anmutig die hübschen nackten Schultern, »aber wir wissen nicht, wohin.« Sie lächelte schüchtern.
    »Klar, Mädels. Ich wüsste da den einen oder anderen Club«, sagte er und setzte sein charmantestes Lächeln auf. Den beiden konnte geholfen werden. Zwei Landpflanzen auf Großstadtbesuch – was für ein Glück. Und hübsch waren sie auch noch. Er warf einen schnellen Blick auf die Straßenecke gegenüber.
    Eine Frau kam die Víta-Nejedlého-Straße entlang. Ihre Absätze klapperten auf den Pflastersteinen.
    »Einen Moment, bin gleich wieder bei euch«, sagte er und nahm die Kamera vom Tisch auf.

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