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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Kohout würde toben. Aber egal, das tat er ohnehin andauernd.
    Hoffentlich hatte das Väterchen die Zeitung noch nicht gelesen. Anděl wusste, dass sein anderer – und glücklicherweise wichtigerer – Chef, Staatsanwalt Theodor Otčenášek, die Post ab und zu las, gewöhnlich um sich über neue Restaurants zu informieren. Die Zeitung sei zwar nichts Besonderes, hatte er auf Davids diesbezügliche Frage einmal geantwortet, aber manche Restaurantkritiken seien hervorragend. Wer auch immer dieser Chat Aubriand sei, er verstehe verdammt viel von guter Küche.
    David sah auf seine Armbanduhr. Halb neun. Dlouhý war für einen Journalisten früh unterwegs gewesen.
    »Meda, hast du den Nebeský schon gesehen?«, fragte Anděl seine Kollegin, die sich inzwischen wieder an den Besprechungstisch und die darauf verteilten Akten gesetzt hatte.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ich glaube, er wollte heute etwas später kommen. Er sagte, er müsse dringend zum Friseur. Soll ich ihm was ausrichten?«
    »Zum Friseur? Da war er doch erst letzte Woche, oder? Ich bin beim Väterchen. Er soll rüberkommen.«
    Zum Friseur. Was für ein Witz. Die dreieinhalb Haare auf Otakar Nebeskýs Kopf hätte er ihm auch selbst zurechtstutzen können. Aber vermutlich war der Grund des Friseurbesuchs nicht der kümmerliche Rest der ehemals dichten Locken, sondern eine besonders hübsche Friseurin. Wie üblich.
     
    »Haben Sie schon einen Blick in die Zeitungen geworfen, Herr Doktor?«
    Anděl stand vor Staatsanwalt Otčenášeks ausladendem Schreibtisch, hinter dem Rücken die gefaltete Prague Post . Das Büro war groß und hell und quoll über von Büchern, Zeitschriften und Papier. Die Sekretärin hatte alle Hände voll zu tun, das Chaos im Zaum zu halten. Trotzdem war das Väterchen der am besten organisierte Mensch, den Anděl kannte. Nicht nur in dieser Hinsicht der wandelnde Widerspruch.
    Der Staatsanwalt sah Anděl erstaunt an. Er war ein großer, leicht gebeugter Mittfünfziger mit kurzen grauen Haaren und dunkelbraunen, gütigen Augen, die aufmerksam aus einem schmalen, kantigen Gesicht blickten.
    Der kurze Urlaub hat ihm gutgetan, dachte Anděl. Das Väterchen sah erholt aus und wirkte in seinem gut geschnittenen hellen Leinenanzug um Jahre jünger. Der Staatsanwalt hatte vierzehn Tage bei seiner Tochter im familieneigenen Landhaus verbracht. Er fahre schuften, hatte er Anděl vor ein paar Wochen lachend auf dem Flur erzählt. Seine Tochter wünsche sich seit Jahren eine Terrasse, und allein konnte man sie die schweren Steine ja nicht schleppen lassen. Was ein paar anstrengende Tage auf dem Land alles bewirken können, sinnierte Anděl. Er selbst war schon viel zu lange nicht mehr zu Hause gewesen; es wäre mal wieder an der Zeit, nach Franzensbad zu fahren. Seine Eltern lebten in einer alten Villa im kleinsten der drei berühmten westböhmischen Kurorte. Ein großes Haus mit einem riesigen Garten, in dem sein Vater, seit sie es Ende der Siebzigerjahre gekauft hatten, einen englischen Rasen anlegen wollte. Ein ewiger Traum. Der Rest der Familie forcierte seine Umsetzung nicht – im Gegenteil. Seine Mutter hatte ihm einmal lachend gestanden, sie säe jedes Frühjahr eine Mischung Wiesenblumen aus. Anděl liebte den verwilderten Garten der Villa Maria. Trotzdem gab es genug zu tun. Ja, er sollte mal wieder hinfahren. Ein bisschen Gartenarbeit würde ihm guttun.
    »Die Zeitung? Bisher nur die MFDnes , wieso?«, fragte Otčenášek erstaunt und sah einen Augenblick von seinem übervollen Schreibtisch auf, wo er in einem der zahlreichen Stapel offenbar etwas suchte.
    »Nun«, begann David diplomatisch, »Sie haben vielleicht im Urlaub diesen kurzen Bericht von Dlouhý gelesen, letzte Woche? Die Sache mit den Särgen in der Metro.«
    »O ja! Eigentlich eine amüsante Geschichte.« Otčenášek kicherte. Er war, trotz seines Berufs, ein fröhlicher Mensch. Zufrieden zog er das gesuchte Blatt aus einer Dokumentenmappe hervor und überflog es. »Was ist damit? Hat man Gottwalds geheime Tagebücher in einem davon gefunden? Oder warum gucken Sie so betreten?«
    »Mit Gottwalds Tagebüchern hätte ich kein Problem. In einem der Särge lag eine Mumie.«
    Der Staatsanwalt stutzte einen Moment, dann lachte er laut los. »Das ist gut, David! Eine Mumie – in der Metro!« Otčenášek zog umständlich sein Jackett aus und warf es achtlos auf einen Stapel Bücher neben seinem Schreibtisch. »Aber, mein Junge«, fügte er schmunzelnd hinzu, »der erste

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