Nasses Grab
Otčenášek das Thema, »so ein Knüller, und seine Zeitung hat ihn!« Der Staatsanwalt gönnte dem exzentrischen alten Chefredakteur der Prague Post diesen Triumph.
»Die sind zu dieser Geschichte gekommen wie die Jungfrau zum Kind«, sagte Nebeský.
»Buchstäblich«, sagte Anděl grinsend, »die hübsche Jungfer, die dieses Baby verfasst hat, hat gute Arbeit geleistet. Ich muss mich dringend mal mit ihr unterhalten.«
»Mhmm – man sollte immer mehrere Eisen im Feuer haben«, murmelte sein Partner amüsiert. Anděl trat ihn unter dem Tisch gegen das Schienbein, und Nebeský jaulte auf.
»So, eine attraktive Reporterin mischt also auch noch mit«, neckte der Staatsanwalt.
»Doch, ja, sehr hübsch sogar, aber viel zu jung – das wäre ja Verführung Minderjähriger«, erwiderte Anděl lachend.
»Ach was, die ist bestimmt schon fünfundzwanzig«, sagte Nebeský.
»Eben. Ich lebe nicht gern so riskant wie du«, erwiderte Anděl. »Kälbchen sind mir inzwischen zu anstrengend.«
»Eigentlich ist es ja gar nicht so schlimm, dass alles in der Zeitung steht«, wechselte Otakar das Thema. »Vielleicht meldet sich ja jemand, der sie gekannt hat oder der was gesehen hat, damals.«
»Vor so vielen Jahren?«, fragte Anděl skeptisch. »Die meisten Leute können sich doch nicht mal mehr an das erinnern, was sie letzte Woche gesehen haben. Und wir wissen noch gar nicht, wie lange sie da unten lag. – Chef, was soll ich übrigens wegen Kohout machen?«
Der Staatsanwalt lächelte grimmig. »Den lassen Sie mal meine Sorge sein.«
Anděl empfand einen Moment lang beinahe so etwas wie Mitleid mit dem ungeliebten Oberst. Der Staatsanwalt war ein gütiger und fairer Mann, aber nach seinem Ton zu schließen, würde Kohout diesmal Dreck fressen müssen.
» Congratulations, my dear! Sehr gut geschrieben – und recherchiert. Sie haben ja allerhand erfahren«, lobte Alena Freeman ihre junge Kollegin Larissa Khek. Wegen Alena sprachen sie Englisch. Die Journalistin hatte ihnen erzählt, sie sei zwar in Prag geboren worden, aber als Kleinkind mit ihren Eltern 1948 in die USA emigriert. Und leider hätten ihre Eltern keinen Wert darauf gelegt, dass sie ihre Muttersprache nicht vergesse. »Ich kann noch nicht mal akzentfrei ein Bier bestellen«, hatte sie schuldbewusst zugegeben. Schließlich wandte sie sich an Magda: »Magdalena – ich darf Sie doch Magdalena nennen?«, fragte Alena.
»Gerne, aber nennen Sie mich lieber Magda.«
»Schön, und ich heiße Alena. Also, wir haben hier ein Naturtalent des investigativen Journalismus! Larissa holt aus den Bürokraten in dieser Stadt Informationen heraus, von denen die gar nicht wissen, dass sie sie haben. Aber ich kann das noch immer kaum glauben. Das kann doch alles nicht wahr sein!« Alena schüttelte ungläubig den Kopf. Sie war eine immer noch attraktive, zierliche Frau von Mitte fünfzig, die man ohne Weiteres zehn Jahre jünger schätzen konnte. Das honigblonde, leicht gesträhnte Haar trug sie kinnlang, das Gesicht war nahezu faltenfrei, nur um die Augen sah man feine Krähenfüße. Alena lachte offensichtlich gern und viel. »Auch wenn es in der Zeitung steht – Sie nehmen uns alle auf den Arm, Larissa, geben Sie es zu! Das ist eine ausgewachsene Ente in der besten Saure-Gurken-Zeit, nicht wahr?«
»O nein. Ich mache keine Witze. Es ist Wort für Wort die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.« Larissa ließ sich von Alenas Lachen anstecken. »Außerdem kann Frau Dr. Axamit alles bestätigen, wenn Sie nicht glauben wollen, was in der Zeitung steht.«
»Ja, ein echtes Talent«, sagte Magda lächelnd, »und ein Whizzkid der Recherche.« Sie zwinkerte Larissa zu. »Wenn ich nicht dabei gewesen wäre, würde ich auch denken, das sei eine Ente.«
»Sie haben recht«, erwiderte Alena lachend, »ich glaube bei Weitem nicht alles, was gedruckt wird – schließlich bin ich Journalistin -, aber wenn Quincy hier die Mumie gesehen hat, wage ich keinen Widerspruch mehr.«
Alena sah nachdenklich auf die vor ihr liegende Ausgabe der Prague Post und strich sie glatt. Auf der Titelseite prangten die Worte Who is the Metro-Mummy? in großen Lettern. Larissas Artikel nahm die ganze obere Hälfte der Seite ein, in seiner Mitte das Foto der überfluteten Metrostation am Můstek.
Die drei Frauen saßen an einem Tisch vor dem Ráj. Die Morgensonne kam langsam hinter den Hausdächern hervor und tauchte den Platz in gleißendes Licht. Aus dem Schankraum drangen aufgeregte Stimmen zu
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