Nasses Grab
sowie eine Schale mit selbst gebackenen Rakvičky , kleinen Särgen, einem zarten Gebäck aus Eigelb und Puderzucker, das mit Schlagsahne verziert war. Die Sekretärin verwöhnte ihren Chef gelegentlich mit solch fantastischen kleinen Schweinereien, wie Nebeský sie bewundernd nannte.
»Mmmm. Göttlich. Einfach göttlich«, murmelte der Inspektor mit vollem Mund, nachdem er sich ein weiteres Särgchen einverleibt hatte.
»Und passend zu unserem Fall. Sie sind sogar gefüllt.« Anděl amüsierte sich köstlich über seinen Partner. Süßkram jederzeit und in jeder Lebenslage. Er selbst rührte solches Zeug höchstens in der Vorweihnachtszeit an. Jedenfalls sicher nicht um neun Uhr morgens. Das Väterchen jedoch und Nebeský waren eingefleischte Leckermäuler – egal, zu welcher Tageszeit. Auch der Staatsanwalt hatte sich schon reichlich bedient. Jetzt wischte er sich nachdenklich mit einer Serviette den Mund ab.
»Mhmmm – göttlich! So was gibt’s sonst nirgends. Die gekauften sind meistens ein bisschen zäh.« Otčenášek griff sich noch ein Särgchen. »Aber die hier – die zerfließen buchstäblich auf der Zunge. Ein Traum!« Schließlich wechselte er das Thema. »Jungs, ihr habt vielleicht einen Fall«, sagte er ernst.
»Hm, ja, kommt ganz auf das Alter an«, stimmte Anděl zu.
»Wessen?«, fragte Nebeský verständnislos und wischte die Krümel von seinem T-Shirt.
»Der Mumie. Du hast noch Krümel auf dem Jackett«, erwiderte Anděl.
Nebeský sah ihn irritiert an. »Ich dachte, die Axamit sei sicher, dass es keine antike Mumie ist …«
»Durchaus. Aber wie du dich sicher erinnern kannst, gibt es in diesem Land eine Verjährungsfrist für Mord. Und die beträgt zwanzig Jahre.«
»Das ist das Problem.« Der Staatsanwalt nickte. »Wir haben sicher einen Fall, wenn die Mumie jünger als zwanzig Jahre ist. Sollte sie älter sein …« Er wiegte zweifelnd den Kopf.
»Nun, selbst wenn sie älter sein sollte, können wir nicht zweifelsfrei ausschließen, dass der Mörder danach nicht weiter gemordet hat. Jedenfalls nicht, solange wir nicht wissen, wer er ist und ob es nicht weitere ähnliche Fälle in den vergangenen zwanzig Jahren gegeben hat.« Anděl versuchte, sich ein Lächeln zu verkneifen. Diese Sorte Spitzfindigkeiten machte ihm ab und an Spaß.
Das Väterchen grinste. »Offenbar haben Anděl und Nebeský nicht genug zu tun. Na schön. Ich bin natürlich ganz Ihrer Meinung. Wir könnten es mit einem Serientäter zu tun haben.« Er kicherte, und Anděl grinste von einem Ohr zum anderen. Nebeský verschlang das letzte Särgchen.
»Aufgeräumt«, sagte er zufrieden und klopfte sich die Krümel vom Jackett.
»Dann wäre ja alles so weit klar«, sagte das Väterchen. »David, Sie sehen mit Ihren Leuten zu, dass die Leiche einen Namen bekommt. Ich spreche gleich noch selbst mit dieser neuen Pathologin. Vielleicht kann sie sich schon genauer zum Alter der Mumie äußern. Jedenfalls möchte ich einen ausführlichen vorläufigen Obduktionsbericht. Sie fühlt sich hoffentlich nicht bemüßigt, literarische Kunstwerke aus ihren Berichten zu machen.« Otčenášek faltete die Post sorgfältig zusammen und schmunzelte.
Er spielte, wie Anděl nur zu gut wusste, auf die Vorliebe seines Freundes Jirka Kratochvíl an, dessen Beruf als Gerichtsmediziner offenbar nicht alle seiner beträchtlichen Talente forderte. Jirkas Obduktionsberichte waren in der Tat kleine literarische Juwele, die Anděl immer wieder amüsierten und beeindruckten. Einmal hatte Jirka einen Obduktionsbefund sogar in Versform abgefasst. Ein makabres Gedicht über eine Wasserleiche in medizinchinesischen Hexametern.
»Wie ist diese neue Gerichtsmedizinerin denn so?«, fragte Otčenášek.
»Sie wirkt kompetent«, sagte Anděl, »und ist ziemlich dickköpfig.«
»Nicht zu vergessen: Sie ist sehr attraktiv«, fügte Nebeský grinsend hinzu, »eine echte Augenweide.«
»Tatsächlich? Dann muss ich sie mir unbedingt persönlich ansehen«, sagte der Staatsanwalt schmunzelnd, »eigentlich hatte ich vor, sie anzurufen.«
»Den Verwesungsgestank in der Gerichtsmedizin ist sie unbedingt wert«, bestätigte Nebeský augenzwinkernd. »David konnte sich kaum losreißen.«
»Ach was«, tat Anděl die Bemerkung seines Partners ab, »das Ráj ist einfach ein netter Laden, und der Rotwein ist ausgezeichnet.«
»Genau – und die Erde ist eine Scheibe!« Nebeský lachte.
»Das muss ein Fest für den alten Bernstein gewesen sein«, wechselte
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