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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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April war vor gut vier Monaten.«
    »Das ist leider kein Scherz, Chef. Die Feuerwehr hat wirklich in einem der Särge eine Leiche gefunden, sieht aus wie eine Mumie.«
    Fassungslos blickte Otčenášek in Anděls ausdrucksloses Gesicht. Der zuckte daraufhin wie entschuldigend die Achseln. Die Zeitung hielt er noch immer hinter seinem Rücken in den Händen. Der Staatsanwalt bedeutete dem Kommissar, auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Anděl setzte sich, räusperte sich und fuhr fort.
    »Nun, die Feuerwehr hat natürlich den Oberst angerufen, aber der wollte mit einem, wie er sagte, ›antiken Artefakt‹ nichts zu tun haben. Sie kennen ihn ja.« Anděl machte eine beredte Miene. »Er hat das Ding an das Diebstahlsdezernat weitergereicht, ohne jemandem etwas davon zu sagen. Und die haben die Mumie im Archäologischen Institut abgegeben. Sie waren der Ansicht, eine Mumie gehöre am ehesten dorthin.«
    »Und weiter?« In Otčenášeks Stimme mischte sich Ungläubigkeit mit aufsteigender Wut. Selbst in besten Zeiten war er, wie alle anderen, schlecht auf Oberst Ladislav Kohout, den Chef der Mordparta , zu sprechen. Wäre es allein nach dem Staatsanwalt gegangen, Kohout wäre längst im vorzeitigen Ruhestand und würde auf seinem großzügigen Landsitz in Nordböhmen seinen kleinen Weinberg beackern. Dabei kam wenigstens nur saurer Wein heraus und nicht so ein Skandal.
    »Eine der Archäologinnen hat dann bei Kohout angerufen und wollte ihm die angebliche Mumie wieder aufs Auge drücken«, fuhr Anděl fort. »Kohout hat sie recht unwirsch abgefertigt und sich wieder für nicht zuständig erklärt.« Daraufhin habe Frau Doktor Bondy, die Archäologin, in der Gerichtsmedizin angerufen. Die Archäologin sei mit der neuen forensischen Pathologin des Gerichtsmedizinischen Instituts befreundet, und so sei die Mumie schließlich unter Umgehung des Dienstwegs doch in der Gerichtsmedizin gelandet – in einem Kühlraum.
    »Frau Dr. Axamit«, fuhr er fort, »rief wiederum mich an, und wir haben uns nach Dienstschluss getroffen. Sie wollte eine nachträgliche Anweisung zur Obduktion. Jedenfalls saßen wir in einem Lokal, und sie erzählte mir, was sie und die Archäologin bei ihrer vorläufigen Untersuchung herausgefunden haben. Leider konnte ich Ihnen nicht gleich Bericht erstatten, Sie waren noch im Urlaub. Außerdem war es ja kein Notfall. Die Leiche war alles andere als frisch.«
    Der Staatsanwalt schwieg. Sein gutmütiges Gesicht war ausdruckslos, aber Anděl spürte unter der ruhigen Oberfläche eine für seinen Chef ungewöhnliche Anspannung.
    »Ich bin sprachlos«, sagte das Väterchen schließlich. »Verdammt, was ist der Kohout doch für ein Hornoch...« Er schüttelte ungläubig den Kopf und verkniff sich den Rest. Kohout hatte sich im Laufe der Jahre allerhand geleistet, aber das hier schoss wirklich den Vogel ab. Andererseits war es erstaunlich, dass nichts von dieser unglaublichen Geschichte den Weg in die Zeitung gefunden hatte. Die Zeitung.
    »David, Sie fragten vorhin, ob ich die Zeitung gelesen hätte«, fragte Otčenášek vorsichtig.
    Anděl räusperte sich.
    »Ja, das ist das Problem, Herr Doktor. Am Nebentisch saß während meines Gesprächs mit Frau Dr. Axamit offenbar eine Reporterin, jedenfalls kann ich mir das alles nicht anders erklären, und nun steht die ganze Geschichte auf der Titelseite.« Anděl reichte dem Staatsanwalt die Prague Post und machte sich innerlich auf einen kleineren Wutausbruch gefasst. Nicht dass er sich hätte etwas zuschulden kommen lassen. Zwar hätte er diese Dinge mit der Pathologin nicht in einem öffentlichen Lokal besprechen sollen, aber er hatte ja auch nicht gewusst, was die Gerichtsmedizinerin von ihm wollte, als er auf ihre Bitte hin ins Ráj gekommen war. Und als sie ihm gesagt hatte, worum es sich handelte, war es zu spät gewesen.
    Otčenášek nahm das Blatt und starrte mit großen Augen durch seine schmale Lesebrille auf die riesigen schwarzen Lettern. Er blickte zu Anděl hinüber. »Es steht in der Prague Post ?«, fragte er ungläubig. Dann fing er an zu lachen.
     
    Das Väterchen saß mit David Anděl und Otakar Nebeský an dem runden Besprechungstisch in seinem Büro. Frau Bartošová, seine effiziente Sekretärin, hatte den Tisch in Windeseile abgeräumt, unter zweifelnden Blicken ihres Chefs, in denen deutlich die Sorge stand, dass er keines seiner Dokumente je wiederfinden würde. Auf dem Tisch befanden sich nun Kaffee- und Wassergläser

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