Nasses Grab
»Es gibt unter dieser Stadt also einen Riesenbunker, in dem wir ahnungslos ein- und ausgehen – gingen, sollte ich wohl sagen. Ich frage mich, wie lange dieses Chaos uns noch nerven wird. Wahrscheinlich Monate! Ich brauche jeden Tag Stunden, um zur Arbeit zu kommen, vom Rückweg ganz zu schweigen. Und in der Innenstadt kann man sich praktisch nur noch zu Fuß fortbewegen. Diese übervollen Straßenbahnen sind grauenhaft!« Sie machte eine theatralische, divenhafte Geste und lachte.
»Der Bunker erklärt natürlich diese riesigen Drucktüren«, fuhr Alena nachdenklich fort. » Geewhizz ! Die Jungs waren wirklich effizient, die haben sogar an Särge gedacht. Nur haben sie offenbar nicht damit gerechnet, dass jemand einen davon dazu benutzen würde, um eine Leiche zu entsorgen. Ein perfektes Versteck und eine geniale Maskerade!« Alena lächelte Larissa schelmisch an.
»Die Metro ein perfektes Versteck? Ungewöhnlich, ja, aber ziemlich gefährlich, oder? Jeder hätte da reinlaufen und das Ding finden können. Und wieso eine geniale Maskerade?«, fragte Magda, die sich in diesem Moment nach erfolgreichen Bemühungen um den Küchenfrieden wieder an den Tisch gesetzt hatte.
»Es ist wirklich eine Schande«, wechselte sie mit einem beschwörenden Blick auf die Küchentür das Thema, »da habe ich eine perfekte Köchin und eine ausgezeichnete Kellnerin, und die beiden sind wie Hund und Katz.« Sie seufzte, trank in einem Zug ihren kalten Kaffee aus und winkte der inzwischen wieder beruhigten Zorka zu, ihr ein Wasser zu bringen.
»Wir halten Sie doch nicht davon ab, ins Gerichtsmedizinische Institut zu gehen?«, fragte Larissa, die wusste, dass das Ráj eigentlich noch gar nicht geöffnet hatte. »Sie hatten gesagt, Sie müssten dann weg – Alena und ich können auch woandershin …«
»Keine Sorge, ich arbeite die nächsten Wochen erst mal Teilzeit. Ist nicht so viel los im Sommer, und eine ganze Stelle ist noch nicht bewilligt. Ich fange heute später an. – Aber um auf die Mumie zurückzukommen«, wandte sie sich an Alena, »wie haben Sie das eben gemeint?«
Alena faltete sorgfältig die Zeitung zusammen und legte sie in die Mitte des kleinen Tisches. »Na, überlegen Sie doch mal«, sagte sie mit vergnügtem Blick auf die Gerichtsmedizinerin. »Sie sagten, es bestehe kaum ein Zweifel daran, dass die Leiche höchstens dreißig Jahre alt ist, wahrscheinlich jünger. Und Sie sagten, dass die Frau erschlagen wurde. Oder könnte sie unglücklich gestürzt sein?«
»Könnte sie«, sagte Magda grinsend, »aber nur von einem Hochhaus. – Nein, nein, sie ist erschlagen worden. Daran besteht nun wirklich kein Zweifel.«
»Okay, Quincy. Was ich meine, ist, dass dieser Lagerraum mit den Särgen ein idealer Ort war, um eine Leiche zu entsorgen. Dass es ihn gab, unterlag strenger Geheimhaltung. Und man spricht ja offenbar immer noch nicht darüber! Wer hätte sie also finden sollen, wenn keiner von dem Raum wusste? Aufgetaucht wäre sie doch höchstens, wenn es einen Atomkrieg gegeben und man für irgendeinen armen Kerl einen Sarg gebraucht hätte. Und in diesem Fall hätte es wohl kaum jemanden gekümmert, wenn man bei der Gelegenheit eine Leiche in einem der Särge gefunden hätte. Die Leute hätten weiß Gott andere Sorgen gehabt. Jedenfalls war das Einzige, worum der Mörder sich bei diesem wunderbaren Versteck Gedanken machen musste, dass die Leiche nicht anfängt zu stinken. In der Tat, eine geniale Maskerade und ein perfektes Versteck!« Und ein kaltblütiger Mörder, dachte sie. Irgendwie bewunderte sie fast diese Kreativität und Rationalität, die dabei an den Tag gelegt worden war.
Magda und Larissa sahen sie verblüfft an. Daran hatte noch keine von ihnen gedacht. Sie waren so beschäftigt mit der Frage gewesen, wer die Frau sein könnte, dass sie nicht darüber nachgedacht hatten, warum man sie ausgerechnet in der Metro abgelegt und sozusagen als Mumie verkleidet hatte.
»Deshalb also die Mumifizierung«, sagte Magda nachdenklich. »Ja, das würde es erklären.«
» You’re absolutely right, ma’am .« Hinter ihnen stand David Anděl und nickte. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?« Er zog sich einen Stuhl heran und nahm neben Magda Platz. Zorka brachte Magdas Wasser, und Anděl bestellte einen türkischen Kaffee.
»Kapitán David Anděl, Mordparta «, stellte er sich Alena vor und reichte ihr die Hand über den Tisch. »Und wer ist unser weiblicher Sherlock Holmes?«, fragte er auf Englisch.
»Das ist
Weitere Kostenlose Bücher