Nasses Grab
so alles feststellen können. Und die Todesursache?«, wollte Anděl wissen.
»Jemand hat ihr, wie ich vorhin schon sagte, den Schädel eingeschlagen«, sagte Magda.
»Sind Sie sicher, dass das kein Unfall gewesen sein kann?«
»Ganz sicher. Die Gewalteinwirkung muss groß gewesen sein. Jemand hat sie erschlagen.«
Anděl dachte einen Moment nach und fragte dann: »Glauben Sie, dass man anhand des Gesichts ein Phantombild erstellen könnte?« Das würde bei der Identifizierung helfen, dachte er, vielleicht würde jemand das Gesicht erkennen.
»Im Prinzip kann man so etwas bei einer Mumie schon machen«, sagte Magda, »in diesem Fall allerdings nicht. Es ist kein Gesicht übrig.«
»Wie meinen Sie das? Sie sagten doch, die Leiche sei in einem guten Zustand.«
»Das ist sie auch, aber sie hat nicht nur einen eingeschlagenen Schädel, sondern auch ein zu Brei geschlagenes Gesicht. Da müsste man schon eine Gesichtsrekonstruktion versuchen. Aber das wäre mit Sicherheit schwierig und vor allem recht zeitaufwendig.«
»Kann ich eine von Ihren Zigaretten haben?«, fragte Alena und zeigte auf Magdas Schachtel, die auf dem Tisch lag.
»Natürlich, bedienen Sie sich.«
Alena nahm die Schachtel und zog eine Zigarette heraus. Ihre Hände zitterten leicht, als sie sie anzündete.
»Ist Ihnen nicht gut, Alena?«, fragte Magda besorgt.
»Oh, es ist nichts weiter«, erwiderte die Journalistin, »es ist nur die Vorstellung von einem zerschlagenen Gesicht – ich habe keinen Magen für so was.« Sie verzog das Gesicht.
»Ja, es sieht wirklich scheußlich aus. Der Mörder hat ganze Arbeit geleistet. Da ist mit Wucht und Leidenschaft zugeschlagen worden, kein Zweifel.«
Sie schwiegen alle. Leidenschaft, dachte Magda, war vielleicht das falsche Wort. Eher schon Wut, wenn nicht gar Hass. Aber auch das war eine Spielart der Leidenschaft. Wie passte das zusammen, fragte sie sich, dieser ungezügelte Hass bei dem Mord und die kalte Rationalität bei der Entsorgung der Leiche?
»Könnte das mit dem Gesicht nicht auch durch das Hochwasser passiert sein?«, fragte Anděl nach einer Weile.
»Nein«, Magda schüttelte den Kopf. »Sie hat noch gelebt, als man ihr den Schädel und das Gesicht zerschlagen hat. Welche der Wunden zuerst zugefügt wurde, kann ich Ihnen sicher heute Abend sagen. Mit dem Hochwasser jedenfalls hat diese Entstellung nichts zu tun.«
Larissa schauderte. Die Vorstellung war grässlich. Wie konnte jemand so etwas nur tun? Schrecklich genug, sich vorzustellen, dass ein Mensch einem anderen den Schädel einschlug – aber das Gesicht? Sie versuchte, die Bilder eines zerschlagenen Gesichts zu verbannen, die sich vor ihrem geistigen Auge bildeten.
»Sie sagten, die Frau habe langes braunes Haar?«, fragte Alena.
»Ja, dunkelbraun. Aber ich habe den Eindruck, dass es gefärbt sein könnte.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Anděl.
»Die Ansätze sind zwar auch braun, aber am Hinterkopf ist der Ansatz an einigen Stellen hell. Blond.«
»Wie kann das sein?«
»Das ist ganz einfach«, mischte sich Larissa ein, »jedenfalls wenn man sich selbst die Haare färbt.«
Anděl sah sie verständnislos an.
»Na ja, wenn man das selbst macht, sieht man sich ja nicht von hinten, und da können einem schon ein paar Strähnen auskommen. Ist mir vor ein paar Wochen auch passiert. Eine Kollegin hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich hinten ein paar Strähnen übersehen hatte. Sah albern aus.« Sie lächelte schüchtern. »Ich musste noch mal färben.«
Magda lachte. »Ja, genauso scheint es der Toten gegangen zu sein. Jedenfalls scheint sie ursprünglich blond gewesen zu sein.«
»Das ist ja schon einiges«, sagte Anděl. »Sie geben mir bitte Bescheid, wenn Sie mehr wissen, Frau Doktor?«
»Heute Abend oder morgen, denke ich. Ich mache mich gleich auf den Weg.«
Alena drückte ihre bis zum Filter abgerauchte Zigarette aus und stand auf. Sie hängte sich ihre große Handtasche um. »Ich muss auch los«, sagte sie mit etwas heiserer Stimme.
Gemeinsam mit David Anděl war auch Larissa Khek aufgebrochen. Sie bogen nach rechts in die von hohen Bäumen gesäumte Americká-Straße ein und schlenderten langsam in Richtung Friedensplatz.
»Sie müssen mir noch verraten, wie Sie all die Dinge erfahren haben, die in Ihrem Artikel standen«, sagte Anděl.
»Zufall«, antwortete Larissa, »ich hatte den kurzen Bericht von Dlouhý gelesen, und dann saß ich neulich abends im Ráj, und Sie und Frau Dr. Axamit
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