Nasses Grab
meine Freundin Alena Freeman, für das Parlament zuständige Redakteurin bei Radio Free Europe«, stellte Larissa vor.
Anděl lächelte. »Na, dann führen wir mal ein kleines Hintergrundgespräch für die englischsprachige Journaille.« Er wandte sich an Larissa. »Ich habe Ihren Artikel heute Morgen gelesen. Herzlichen Glückwunsch. Ich hatte selten so wenig Anlass, mich über die Presse zu ärgern. Vom Oberst kann ich das allerdings nicht behaupten. Dem kommen Sie beide besser nicht unter die Augen«, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.
»Nun«, sagte Magda, »der Oberst hat wenig Grund, sich über uns aufzuregen, nach allem, was er vermasselt hat – aber es tut mir leid, dass ich Sie von meinem Gespräch mit Frau Khek nicht in Kenntnis gesetzt habe. Verzeihen Sie, Herr Kommissar. Ich hätte Sie anrufen sollen.«
»Ist schon in Ordnung, Sie haben mich ja nur über eine herrenlose Mumie unterrichtet. Und bis heute Morgen war es ja auch kein offizieller Fall. Das hat erst die gründliche Recherche der Presse geändert. Die saß offensichtlich an jenem Abend Gewehr bei Fuß am Nebentisch.«
Larissa errötete unter seinem Blick. »Ich bin Reporterin«, verteidigte sie sich, »und ich saß ganz zufällig hier. Außerdem hat Ihr Chef hat ja alles getan, um die Sache unter den Teppich zu kehren. Das schreit nach Recherche und Veröffentlichung. Außerdem schadet es wohl kaum, wenn sich jemand findet, der etwas darüber weiß, oder?«
»Sie sind also wirklich die Autorin dieser Geschichte. Larissa Khek? Freut mich, Sie kennenzulernen. Irgendwann müssen Sie mir verraten, wie Sie an all diese Informationen gekommen sind. Respekt!«
Er sah die drei Frauen eine nach der anderen an und fuhr fort: »Also zurück zu unserem kleinen vertraulichen Hintergrundgespräch. Miss Freeman hat völlig recht. Wie es aussieht, haben uns das Hochwasser und die Hartnäckigkeit von Frau Dr. Bondy einen perfekten Mord beschert. Er wäre vermutlich nie entdeckt worden, hätte das Wasser nicht die Metro geflutet. Die Leiche hätte noch hundert Jahre da unten liegen können. Was die Hilfe von der Bevölkerung angeht – das Ganze liegt schon ziemlich weit zurück. Aber wir werden uns Mühe geben.« Er gab zwei Löffel Zucker in den Kaffee, den Zorka vor ihm auf den Tisch gestellt hatte. »Haben Sie, abgesehen von den lackierten Fingernägeln, noch andere Anhaltspunkte gefunden, die auf das Alter der Mumie schließen lassen?«, wandte er sich an Magda und trank vorsichtig einen Schluck Kaffee.
Magda zuckte mit den Schultern.
»Nun, bisher kann ich nur sagen, dass die Leiche sicher jünger als hundert Jahre ist. Aber das ließ sich auch schon aus dem Lack auf den Fingernägeln schließen. Die anderen Tests brauchen noch eine Weile. Angesichts des Fundorts würde ich aber sagen, sie ist jünger als dreißig Jahre. Die Metro wurde doch Anfang der Siebzigerjahre gebaut, nicht wahr?«
»Ich glaube, sie war vierundsiebzig fertig«, bestätigte Anděl. »Also geht es um einen Zeitraum von maximal achtundzwanzig Jahren. Haben Sie sonst noch etwas gefunden?«
»Der Obduktionsbericht ist noch nicht fertig. Ich fahre gleich ins Institut und sehe mir noch ein paar Testergebnisse an. Bisher habe ich die Todesursache und das ungefähre Alter der Toten.«
»Und?«, fragte Alena mit einer gewissen Ungeduld in der Stimme. Auch Larissa sah die Pathologin erwartungsvoll an.
»Wir hören«, ermunterte Anděl die Pathologin.
»Sie war zwischen Ende zwanzig und Mitte dreißig, hatte langes dunkles Haar und, wie es aussieht, ein relativ großes Muttermal am linken Handgelenk. Etwa so groß wie ein Zehnkronenstück.«
Alena, die gerade ihre Kaffeetasse in die Hand genommen hatte, um zu trinken, hielt in der Bewegung inne und starrte die Pathologin an.
»Was? Ein Muttermal?«, fragte sie.
»Nun, ja«, sagte Magda, »es ist, soweit sich das bei einer durch die Mumifizierung verfärbten Leiche sagen lässt, ein recht großes Muttermal.« Sie sah Alena verwundert an. »Sie scheinen überrascht zu sein. – Haben Sie etwa eine Ahnung, wer die Frau war?« Magda lachte. »Dann aber nichts wie raus mit der Sprache!«
Alena trank einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse langsam wieder ab.
»Nein, natürlich nicht«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Ich habe mich nur gewundert, dass man … nun, dass man so etwas noch feststellen kann, nach all der Zeit und in Anbetracht des Zustands der Leiche.«
»Ja, es ist wirklich faszinierend, was Pathologen
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