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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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sprachen am Nebentisch über eine Mumie, die in der Metro aufgetaucht war.« Larissa lachte. »Wie gesagt, reiner Zufall.«
    »Nein, wir haben lediglich Vermutungen angestellt über einen möglichen Fundort. Woher wussten Sie, dass sie aus der Metro war?«, bohrte Anděl nach. »Denn dass Sie eine bloße Vermutung als Tatsache hingestellt haben, glaube ich Ihnen nicht.«
    »Na schön, Sie haben eine Vermutung angestellt, und ich fand, die sei plausibel. Immerhin hatte Dlouhý ja von Särgen in der Metro berichtet. Da habe ich einfach eins und eins zusammengezählt.«
    »So, so. Und die Vermutung haben Sie als Tatsache verkauft?« Anděl war nicht gewillt, ohne Weiteres lockerzulassen. Da hatte doch sicher jemand gequatscht. Aber wer?
    »Sie wollen es aber genau wissen! Warum nicht?« Larissa wollte Robin nicht verraten.
    »Ich bin Polizist, also von Berufs wegen neugierig. Und Sie haben bei den anderen Dingen, die Sie geschrieben haben, gründlich recherchiert. Außerdem hatte ja schon zuvor jemand gequatscht, sonst hätte Dlouhý nichts über diese Särge erfahren, und er wusste nichts über die Mumie, sonst hätte er das auch geschrieben. Also, woher hatten Sie die Information?«
    »Ich bin Reporterin – und auch von Berufs wegen neugierig.«
    »Und Sie sind über eine sprudelnde Quelle gestolpert?«
    Larissa grinste. »Selbst wenn, ich würde sie Ihnen nicht verraten, okay? Außerdem spielt das doch jetzt keine Rolle mehr, oder?«
    »Na schön«, sagte Anděl, er hatte auch so eine Ahnung, woher ihre Informationen stammten. Nur die beteiligten Feuerwehrleute wussten von der Mumie. Sie hatte recht, es spielte keine Rolle mehr. Irgendjemand würde immer reden, das ließ sich nicht verhindern. »Und die Bunker?«, fragte er.
    »Die übliche Recherche. Die meisten Leute reden gern über ihre Arbeit. Und ich habe natürlich nichts über die Mumie gesagt. Ich sagte, ich arbeite an einer Geschichte über ungewöhnliche Gebäude in Prag. Na, und die Sachen über die Mumie haben Frau Dr. Axamit und ihre Freundin mir bestätigt. Das ist alles.«
    »Schön. Den Rest überlassen Sie aber uns, ja? Sie haben viel ausgegraben, doch jetzt ist Schluss.«
    »Ich bin Reporterin, Herr Kommissar, und Zensur mag ich gar nicht«, erwiderte Larissa trotzig.
    » Curiosity killed the cat .«
    Larissa lachte. »Wo haben Sie eigentlich so hervorragend Englisch gelernt?«, fragte sie, dankbar, das Thema wechseln zu können.
    »In den Staaten. Ich war nach unserer samtenen Revolution ein paar Jahre am MIT in Boston. Da ließ sich das nicht vermeiden. Und Sie?«
    »Oh, ich bin hier geboren, aber in Deutschland aufgewachsen, und als ich sechzehn war, ist es meinen Eltern gelungen, nach Kanada auszuwandern.« Sie lächelte. »Da ließ es sich dann auch nicht vermeiden. Was haben Sie am MIT gemacht? Ich wusste gar nicht, dass man dort Kriminalistik studieren kann.«
    »Kann man auch nicht.« Anděl blickte verträumt die schmale, von alten Linden gesäumte Straße hinunter. »Ich habe hier nach dem Abitur Mathematik studiert und bin nach der Promotion ans MIT gegangen.«
    Larissa war verblüfft. David Anděl sah nicht so aus, wie sie sich einen Mathematiker oder gar einen Professor vorstellte. An ihm war nichts Verhuschtes, Zerstreutes und schon gar nichts Verstaubtes oder Altbackenes. Nun, das waren wohl die üblichen Vorurteile. Sie hätte bei ihm eher auf Geisteswissenschaften getippt, vielleicht Philosophie. Als sie ihm das sagte, lachte er. Immerhin hätten Philosophie und Mathematik doch das eine oder andere gemeinsam, sagte er.
    »Und wieso sind Sie heute Kriminalbeamter in Prag und nicht Professor in Boston?«, fragte sie.
    »Wegen Wiles.«
    Larissa starrte ihn an. Er machte sich sicher lustig über sie. »Wegen Wiles?«, wiederholte sie. »Sie meinen nicht zufällig den Andrew Wiles? Den Typen, der Fermats letzten Satz bewiesen hat?«
    »Doch, genau den.«
    »Und? Wieso?«
    Anděl zuckte die Achseln. »Ach, das ist eine alberne Geschichte.«
    »Ich liebe alberne Geschichten.«
    Er seufzte. »Na schön. Als ich elf oder zwölf war, erzählte mir meine Mutter von Fermats letztem Satz. Sie ist Apothekerin, aber sie interessierte sich immer für alles Mögliche, unter anderem eben für Mathematik. Sie erzählte mir also die ganze Geschichte dieses mathematischen Rätsels. Ich war fasziniert, und weil ich ein gewisses Talent für Mathematik hatte, nahm ich mir in meiner kindlichen Einfalt vor, Fermats letzten Satz eines Tages zu beweisen.

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