Nasses Grab
zu werden. Außer natürlich, er hatte die Frau in der Metro umgebracht. Das würde den Ort erklären. Warum eine Mumie aus ihr machen? Der Gestank. Die Leiche durfte nicht auf sich aufmerksam machen. Okay. Aber warum sie nicht in einen Kofferraum packen und aus der Stadt hinausschaffen, in irgendeinen Wald und dort begraben? Auch dort hätte sie niemand je finden müssen. Aus irgendwelchen nur dem Mörder bekannten Gründen war die Metro offenbar die einfachere Alternative gewesen. Warum glaubte der Mörder, er müsse die Leiche verstecken? Sein Alibi? Hatte ihn jemand an jenem Abend mit der Frau gesehen? Ohne Leiche kein Mord, keine Anklage. Aber warum, zum Teufel, die Metro? Und warum hatte er ihr das Gesicht eingeschlagen? Wut? Hass? Zufall? Hatte sie sich bewegt, und er hatte statt ihres Kopfes das Gesicht getroffen? Unwahrscheinlich. Viele Fragen, keine Antworten.
Und wenn Meda und die junge Reporterin recht hatten? Was, wenn die Mumie doch Dana Volná war?
Er mochte gar nicht darüber nachdenken, was auf ihn zukommen würde, wenn er sich mit dem Geheimdienst beschäftigen müsste.
Er nahm die Beine von der Schublade und nahm sich die nächste Akte vor, konnte sich aber nicht darauf konzentrieren. Schließlich griff er nach dem Telefon, hob den Hörer ab und wählte eine Nummer.
»Nebeský«, fragte er, »hast du noch die Karte für das Fußballspiel heute Abend?« Ein bisschen Ablenkung konnte nicht schaden.
Die letzten Strahlen der Abendsonne tauchten den kleinen Platz vor dem Raj in mildes Licht. Aus der Küche drangen aufgebrachte, wenn auch gedämpfte Gesprächsfetzen in den Schankraum. Offenbar war wieder ein Streit zwischen der Kellnerin und der Köchin entbrannt.
»Entschuldigt mich bitte«, sagte Magda genervt und stand auf. »Irgendwann bringe ich die beiden einfach um, wenn sie es nicht vorher selbst tun.«
»Warum kündigen Sie nicht einfach einer von beiden?«, fragte Larissa. Sie saß mit Xenia an Magdas Tisch.
»Kann ich nicht. Unsere Köchin ist eine Perle, und die Kellnerin ist ihre Mutter«, antwortete Magda resigniert und machte sich auf den Weg in die Küche.
Larissa nahm einen Bissen von ihrem Bagel. Er war eine von Magdas Kreationen mit Ratatouille und überbackenem Schafskäse. Sie nickte verständnisvoll. Der Bagel war ausgezeichnet.
Xenia schüttelte den Kopf. »Es ist wirklich zum Verrücktwerden. Die beiden sind wie Hund und Katze, dabei hängen sie so aneinander. Egal. Magda wird es schon richten.« Sie sah Larissa an. »Sie sprachen vorhin von dieser Sängerin, mit der Sie sich unterhalten haben. Lída Karafiátová. Ich habe sie ein paarmal singen hören. Sie ist sehr gut. Was hat sie Ihnen denn erzählt?«
»Na ja, ich habe einen anonymen Anruf bekommen, von einem Mann, der behauptete, er wisse, wer die Mumie sei. Er sagte, sie heiße Dana Volná, und da habe ich mich erinnert, dass eine Schauspielerin so heißt, und habe Lída angerufen. Ich wollte mehr über diese Dana Volná erfahren. Und dann hatte ich die Schnapsidee, sie könnte die Mumie sein, und bin zu Anděl ins Kommissariat gefahren, um es ihm brühwarm zu erzählen. Allerdings ohne vorher für einen Pfifferling nachzudenken – oder zu recherchieren. Gott, habe ich mich blamiert!«
Xenia lachte. »Ja, das kann ich mir vorstellen. Na, diese Volná kann offensichtlich nicht die Mumie sein. Aber Sie sagten, Sie haben einen anonymen Anruf bekommen?«
»Ja. Ein Mann, der sich wohl wichtig machen wollte – das meinen jedenfalls Anděl und Nebeský. Die beiden haben sicher recht. Dana Volná ist tot, aber das weiß hier jeder. Außer mir natürlich! Ich bin ja bloß eine dumme Exilantin, die von den hiesigen Schauspielern und Sängern keine Ahnung hat.« Sie seufzte.
»Das kenne ich«, sagte Xenia, »mir geht es da nicht anders. Magda und ich sind im Juni mit den Kindern nach Zlín gefahren, zum Kinder- und Jugendfilm-Festival. Auf der großen Party dort lief alles herum, was im tschechischen Film Rang und Namen hat. Eine Freundin hat uns allen möglichen Filmgrößen vorgestellt, aber kein Name oder Gesicht sagte uns etwas. Die dachten sicher alle, was für arrogante Schnepfen wir doch seien.« Sie lachte. »Die Kinder waren dafür umso mehr beeindruckt, die kennen sich wesentlich besser aus als wir alten Exilanten.«
»Zum Glück arbeite ich nicht in der Kulturredaktion«, sagte Larissa. Sie nahm eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Handtasche. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
»Nicht, wenn ich auch
Weitere Kostenlose Bücher