Nasses Grab
Bild aus dieser Zeitschrift.«
»Und?«, fragte der Staatsanwalt, der seine Erregung nur mühsam unterdrücken konnte, »machen Sie es um Gottes willen nicht so spannend, Frau Doktor!«
»Dana Volná ist meine Tante. Dana Navrátilová.« Magda lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie war plötzlich unendlich müde. Nach dem Gespräch mit ihrer Mutter war kein Gedanke mehr an Schlaf gewesen. Zu viel war ihr durch den Kopf gegangen.
»Na bestens«, sagte David Anděl zum Erstaunen der anderen. »Das trifft sich doch hervorragend – bei allem Mitgefühl für unsere Frau Doktor und ihre neu gefundene und leider sofort wieder verlorene Tante.« Er lächelte, als er reihum blickte. »Nun haben wir die Möglichkeit, die DNA zu vergleichen. Mit anderen Worten, wir können die Leiche zweifelsfrei identifizieren«, sagte er, während er Magdas müdes Gesicht eingehend betrachtete.
Magda nickte. »Ich habe heute früh schon die nötigen Proben genommen«, sagte sie. »Aber es wird ein paar Tage dauern.«
Ja, dachte David Anděl und zwinkerte ihr fast unmerklich zu, eine prächtige Frau – schön, intelligent und Nerven wie Drahtseile. Fast zu gut, um wahr zu sein. Welche Abgründe lauerten wohl hinter dieser perfekten Fassade?
»Unglaublich. Einfach unglaublich.« Der Staatsanwalt schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich an Magda. »Ich bewundere Ihre Haltung, Madame. Hut ab. Und ich möchte Ihnen mein Mitgefühl aussprechen.«
»Danke«, sagte Magda. »Aber Larissa hat auch noch etwas Interessantes beizusteuern.«
»Ja, ich bekam gestern Abend einen Anruf«, sagte Larissa. »Ich habe ihn aufgenommen, warten Sie.« Sie nahm ihr Handy heraus und spielte das aufgezeichnete Gespräch ab. Alle hörten gebannt zu.
»Sie sind sicher, dass es der gleiche Anrufer war wie beim ersten Mal?«, fragte Anděl.
»Ja. Ich habe die Stimme wiedererkannt und außerdem – er spricht wie Havel, wissen Sie. Er kann kein rollendes ›r‹ aussprechen. Ich bin mir ganz sicher, dass es der gleiche Mann ist.«
Sie schwiegen alle eine Weile, dann sagte Otčenášek: »Fassen wir zusammen: Dana Volná hieß eigentlich Dana Navrátilová. Das bestätigt sowohl Frau Doktor hier als auch unsere fähige Archivarin – vor der ich übrigens den höchsten Respekt habe.« Er lächelte verschwörerisch.
»Und dann haben wir einen anonymen Anrufer, der behauptet, gesehen zu haben, wie ein Mann, den er als einen gewissen Krasnohorský erkannt haben will, die Volná aus dem Haus und in die Metro getragen hat. – Nehmen wir einmal an, dass der Mann die Wahrheit sagt. Dann stellt sich die Frage, wessen Asche in der Urne auf dem Friedhof ist. Denn, wie gesagt, wir können davon ausgehen, dass es diesen Unfall, bei dem Dana Volná ums Leben gekommen sein soll, nie gegeben hat. Da verlasse ich mich ganz auf die Archivarin.«
»Irgendjemand muss also tatsächlich ein Gerücht gestreut haben«, sagte Anděl nachdenklich. »Die Volná verschwindet, und weil sie mit Sicherheit vermisst werden wird, wenn sie nicht wieder auftaucht, streut man das Gerücht, sie sei bei einem Unfall gestorben, irgendwo auf einer Reise nach oder in Jugoslawien. Und um ganz sicherzugehen, stellt man eine Urne in ein Grab auf dem Friedhof.«
»Ich habe – so weit möglich – die alten Zeitungsberichte über den Unfall herausgesucht. Die waren tatsächlich ziemlich vage«, warf Meda ein.
»Na, Prost Mahlzeit«, warf Otakar Nebeský ein. »Von wegen ›irgendjemand‹! Das muss einer mit spitzenmäßigen Verbindungen in entsprechende Kreise gewesen sein.« Er schüttelte angewidert den Kopf.
Anděl nickte ernst. Staatsanwalt Otčenášeks Stirn lag in tiefen, nachdenklichen Falten.
»Ein Gerücht?«, fragte Xenia ungläubig, »das hätte man doch nachprüfen können – das kann doch nicht wahr sein! Die Presse, ihre Familie …«
»Es ist schwer zu glauben, da stimme ich Ihnen zu, Frau Doktor Bondy«, sagte Anděl. »Aber Sie dürfen nicht vergessen, das alles passierte nicht in einer Demokratie. Die Presse konnte nicht einfach alles schreiben, und echte Recherche war auch nahezu unmöglich. Wie das unter dem kommunistischen Regime eben so war. Der Geheimdienst oder die Staatssicherheit hatten großen Einfluss. Und ja, die hätten so etwas durchaus inszenieren können.«
»Und was die Familie angeht«, sagte der Staatsanwalt und sah Magda fragend an, »ich nehme an – da Sie bis gestern nichts von der Existenz Ihrer Tante wussten -, dass Ihre Familie keinen Kontakt zu
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