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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Ewigkeit her, und ich arbeite hier ohnehin nur noch zweimal die Woche für ein paar Stunden.« Sie lächelte schüchtern. »Sie werden mich nach all den Jahren ja nicht einsperren, weil ich einem verzweifelten jungen Mann in einem anderen Jahrhundert einen Gefallen getan habe, nicht wahr?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Anděl freundlich, »ich möchte nur erfahren, unter welchen Umständen diese Urne beerdigt wurde.«
    »Also gut.« Sie straffte ihre schmalen Schultern. »Ein junger Mann kam damals hierher, mit einer Urne in einer Tasche. Ich erinnere mich noch gut, dass es so eine alte Arzttasche war, Sie wissen, was ich meine, nicht wahr? Diese großen Taschen mit Metallbügel, die Landärzte früher immer hatten. Mein Großvater hatte auch so eine. Er war Arzt, verstehen Sie.« Sie sah ihn verlegen an. »Aber das wollen Sie ja gar nicht wissen, entschuldigen Sie. Ja, also, die Tasche war alt, aber noch immer sehr schön, aus echtem Leder in so einem warmen Cognacton. Wirklich eine sehr schöne Tasche, aber an der Seite eingerissen. Das habe ich gesehen, als er sie auf den Tisch hier stellte...« Sie hielt kurz inne und sah den Kommissar einen Moment lang verwirrt an. »Wo war ich? – Ach ja, die Urne. Also, er erzählte von seiner Cousine, die bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Ihr Name sei Dana Volná gewesen, die Schauspielerin, wissen Sie. Sie habe außer ihm keine Familie, sagte er, deshalb wollte er sie ohne großes Brimborium beerdigen. Sie war sehr populär damals. Wir haben sie auch sehr geliebt, meine Tochter und ich.« Sie knetete nervös ihre runzeligen Hände. »Natürlich hatte ich von dem Unfall gelesen, und da stand nun dieser junge Mann vor mir und wollte diese arme Frau beerdigen. Und er bat mich, die notwendigen Einträge zu machen, damit er sie in dieses Grab stellen konnte.« Sie seufzte abermals. »Ich hätte natürlich nach all den Dokumenten fragen sollen, aber er war so unglücklich und so charmant! Ich habe ihm also den Gefallen getan. Er versprach, die Unterlagen später vorbeizubringen, aber er hat es wohl vergessen. Und dann war schon alles hier eingetragen, und da habe ich nichts mehr unternommen. Sie war ja tot und begraben. Was hätten irgendwelche Dokumente daran noch geändert?« Ihre himmelblauen Augen blickten ihn traurig an.
    »Gehörte das Grab denn ihm oder seiner Familie?«
    »O nein, nein. Es war ein freies Grab. Er hatte es bezahlt. Im Voraus für fünfundzwanzig Jahre. Die Bestätigung hatte er dabei.« Sie sah auf den verblichenen Eintrag in dem großen Buch. »Du meine Güte, das läuft ja nächsten Monat ab, wenn er es nicht verlängert.«
    »Ich verstehe«, sagte Anděl. Die Bemerkung über das Ablaufdatum überging er. Das hatte sich jetzt ohnehin erledigt. »Sie haben also alles eingetragen, er hat Ihnen die Bestätigung über die Bezahlung vorgelegt, und dann haben Sie die Urne in das Grab gestellt.«
    »Das hat er selbst getan. Ich bin später noch hingegangen und habe nachgesehen. Es war alles in Ordnung.«
    »Hat er Ihnen wenigstens seinen Ausweis gezeigt?«
    »Ich fürchte, nein. Ich habe ihn danach gefragt, aber er sagte, er habe ihn vergessen. Na ja, er hat mir seinen Namen genannt und seine Adresse angegeben …« Sie sah ihn unglücklich an. »Ich weiß, ich hätte darauf bestehen sollen.«
    Anděl nickte. Die Frau hatte so ziemlich alle Vorschriften verletzt, die für eine Beisetzung notwendig waren, aber es hatte keinen Sinn, sie nach fünfundzwanzig Jahren dafür zu belangen. Das war ohnehin alles längst verjährt. So viel dazu, dass man, wie er Meda vorgehalten hatte, mindestens ein Dutzend Papiere vorlegen musste, um jemanden unter die Erde zu bringen. Hier hatten ein Name und etwas Charme allen Papierkram ersetzt. Er seufzte. Es menschelte eben überall.
    Anděl zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass der Name, den der junge Mann ihr damals genannt hatte, falsch gewesen war. Václav ˇerný. Ein Allerweltsname.
    »Können Sie den Mann beschreiben? Ich weiß, es ist lange her.«
    Die alte Frau wurde schlagartig um Jahre jünger. Sie strahlte über das ganze, faltenreiche Gesicht.
    »O ja! Gott, er war ein so gut aussehender Mann! Groß, wissen Sie, ungefähr so groß wie Sie, bestimmt eins neunzig und schlank. Er hatte lockiges blondes Haar, ein bisschen lang für meinen Geschmack, aber es stand ihm gut. Er wirkte wie ein Künstler, hatte lange schlanke Finger, wie ein Pianist oder ein Chirurg, wissen Sie. Na, wie man sich das eben

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