Nasses Grab
werden den Kerl schon finden.«
»Und Danas Wohnung? Waren Sie schon dort?«, fragte Magda.
»Ich werde gleich hinfahren. Aber raten Sie mal, wer heute dort wohnt?«
»So wie Sie grinsen, muss es der Mörder sein«, sagte sie lachend.
»Nicht ganz. Markéta Kousalová.«
»Und wer ist das?«, fragte Magda. Der Name sagte ihr gar nichts.
»Sie ist Lída Karafiátovás Tochter. Die Spurensicherung kommt auch. Vielleicht finden die Jungs ja noch was.«
Magda lachte. »Ich bewundere Ihre Zuversicht. Aber ich würde mir nicht allzu viele Hoffnungen machen, Herr Kommissar. Sie wissen doch, wie ernst tschechische Hausfrauen das Gruntování nehmen – mindestens zwei Mal im Jahr!«
Anděl grinste. Gruntování , die tschechische Variante des Großreinemachens, war ihm wohlvertraut. Auch seine Mutter hatte jeden Frühling und vor Weihnachten die Wohnung auf den Kopf gestellt und keine Ritze ungeschrubbt gelassen. Er hatte als Kind und Jugendlicher immer versucht, diesem periodisch wiederkehrenden Putzwahnsinn zu entkommen, selten genug war es ihm gelungen.
»Da haben Sie recht«, sagte er, »aber ich bin zuversichtlich. Wenn Dana in dieser Wohnung ums Leben gekommen ist, dann finden wir vielleicht noch Spuren. Blut lässt sich kaum vollständig beseitigen, es bleiben fast immer unsichtbare Spuren zurück. Na, wir werden sehen. Wenn Dana einen Holzfußboden hatte, finden wir vermutlich etwas in den Ritzen.«
Magda nickte.
»Allerdings haben wir ein anderes Problem. Die Verjährungsfrist.«
»Wie bitte?«
»Nun«, erklärte Anděl, »falls die Tote tatsächlich im Sommer 1977 umgebracht wurde, ist die Sache längst verjährt.«
»Aber …«
»Oh, ich verstehe Ihren Einwand völlig. Wenn es sich tatsächlich um Ihre Tante handelt, möchten Sie natürlich …«
»Das hat überhaupt nichts mit meiner Tante zu tun, Herr Kommissar«, fiel ihm Magda empört ins Wort. »Ich empfinde es grundsätzlich als höchst ungerecht, wenn ein Kapitalverbrechen wie Mord überhaupt verjährt. In einem zivilisierten Land!«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Frau Doktor. Ich bin völlig Ihrer Meinung. Nichtsdestotrotz verjährt Mord in diesem Land nach zwanzig Jahren. Aber die letzte Entscheidung, ob wir weiter ermitteln, liegt beim Staatsanwalt. Und solange wir nicht wissen, wie lange diese Frau tot ist …« Er zwinkerte ihr zu.
»Mein Obduktionsbericht ist noch lange nicht fertig«, sagte sie und lächelte versöhnt. »Da ist noch etwas, was Sie wissen sollten … Der kleine Knochen, von dem ich Ihnen und dem Staatsanwalt erzählt habe – er ist weg.«
»Sie nehmen mich auf den Arm, ja?«
»Keineswegs.« Magda sperrte eine der Schubladen ihres Schreibtischs auf und zog sie heraus. »Ich hatte ihn in einem Plastikbeutel hier in der Schublade. Jemand hat ihn herausgenommen.«
»Warum haben Sie ihn nicht zu den anderen Beweismitteln im Labor gegeben?«, fragte Anděl.
»Reiner Zufall. Ich habe ihn hier reingeschoben, und als ich abends daran dachte, war ich – ehrlich gesagt – zu faul, noch einmal hinunter ins Labor zu gehen.«
»Wer weiß von diesem Knochen?«
»Jirka war dabei, als ich ihn fand.«
»Wer weiß noch davon?«
»Nun … ich weiß nicht …« Magda überlegte.
»Wer noch?«, drängte Anděl.
»Als ich den Knochen Ihnen und dem Staatsanwalt zeigte, kam doch mein Chef rein – ich weiß nicht, wie viel er gehört oder gesehen hat.«
Anděl atmete auf. Der Chef der Gerichtsmedizin kam als Dieb kaum in Frage. »ˇerný wird ihn wohl kaum gemopst haben. Wer hat außer Ihnen einen Schlüssel zu Ihrem Schreibtisch?«
»Nur unsere Sekretärin, sonst niemand. Glaube ich jedenfalls. Ich bin erst ein paar Tage hier.«
»Verdammt und zugenäht. Der Knochen war unsere einzige Verbindung zum Mörder.«
»Keine Sorge, ich habe Gewebeschnitte von dem Knochen. Machen Sie doch bitte die Tür zu«, sagte sie und stand auf, um zu ihrem kleinen Kühlschrank zu gehen, der an der Wand neben einem zimmerhohen Regal stand. Sie öffnete ihn und nahm eine Plastikschachtel heraus, in der mehrere Glasträger lagen. »Sie sind noch da«, sagte sie zufrieden.
Anděl schloss die Tür und drehte sich wieder zu Magda um. Was für eine attraktive Frau diese Gerichtsmedizinerin war. Sie stand vor ihm in ihrem weißen Laborkittel, unter dem sie ein buntes Sommerkleid trug. Die langen, schlanken Beine gingen über in schmale Fesseln, an den Füßen trug sie elegante flache Sandalen. Erstaunlich, wie klein sie ist ohne die üblichen
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