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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Hirn. Jan Krasnohorský. Jean Beaumont. Derselbe Name, einmal tschechisch, einmal französisch. Nun, das war sicher nichts weiter als ein seltsamer Zufall. Ihr Chef war aus Montreal. Ein Frankokanadier – der allerdings offensichtlich ausgezeichnet Tschechisch sprach. Was er bisher für sich behalten hatte. Warum? Niemand in der Redaktion hatte eine Ahnung davon, dass er nicht auf die Übersetzer angewiesen war, die er zu jedem seiner Termine mitschleppte. Seiner perfekten Aussprache nach zu urteilen, musste er aber Tscheche sein.
    War Jay am Ende jener Jan Krasnohorský, von dem ihr anonymer Anrufer gesprochen hatte? Das wäre … nein, das wäre doch ein zu großer Zufall. Wie verbreitet war wohl dieser Nachname? Jan jedenfalls war der mit Abstand häufigste männliche Vorname in Tschechien. Damit ließ sich nichts beweisen. Was, wenn Jay tatsächlich jener Krasnohorský war? Es war hochgradig unwahrscheinlich. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Würde er dann nicht eher für RFE arbeiten? Es war allgemein bekannt, dass die CIA den Laden sponserte. Der Anrufer hatte Krasnohorský einen Spitzel genannt. Jay ein Spitzel? War das am Ende die Verbindung zwischen den beiden? Die Fantasie geht jetzt endgültig mit dir durch, dachte sie, immer schön auf dem Boden bleiben.
    Ein Stuhl knarrte über die Fließen, die Gläser auf dem Tisch über ihr klirrten. Die Frau war aufgesprungen.
    » Jestli to uděláš, Honzo, tak tě zabiju !«, hörte Larissa sie zischen. Wenn du das tust, Honza, bringe ich dich um ! Sie hörte die Absätze auf dem Steinboden klappern, als Jays Gesprächspartnerin in Richtung Aufzug davoneilte. Ihr Gesicht war wutentbrannt, gerötet nicht nur von der Sonne, sondern auch von ihrer Erregung. Scheinbar ohne Larissa wahrzunehmen, eilte sie an ihr vorbei.
    Jay war auch aufgestanden und lehnte sich über die niedrige Mauer. »Počkej!«, rief er ihr hinterher. Warte! Doch sie war schon fort. Als er ihr nachsah, wie sie durch die Tür zum Aufzug eilte, schickte er ihr noch ein Wort hinterher, das die leichte Brise, die auf der Terrasse wehte, fast sang- und klanglos mit sich fortgetragen hätte, ungehört und unverstanden, hätte Larissa nicht zwischen ihrem Chef und der Terrassentür gesessen und, wie es ihre Gewohnheit war, auch auf die Lippen des Sprechenden geachtet. Larissa saß wie vom Donner gerührt da. Ich werd verrückt, dachte sie. Nein, ich träume.
    »Darf ich Ihnen noch etwas bringen?« Die Stimme des Kellners holte sie aus ihrer Verwirrung zurück.
    »Bitte? O nein, danke, ich muss gehen. Ich möchte gerne zahlen.«
    »Selbstverständlich, Madame.«
    Ihre wilde Vermutung, was Jays eigentliche Identität betraf, schien ihr nicht mehr ganz so unwahrscheinlich. Aber noch aufschlussreicher war sein letztes Wort gewesen. Larissa stand auf, hängte sich ihre Handtasche um und sah hinauf zu ihrem Chef. Inzwischen hatte er sie auch bemerkt. Er lächelte ihr zu und zuckte entschuldigend die Achseln. »Oh, Larissa, guten Morgen! Entschuldigen Sie den Aufruhr. Ein Missverständnis unter Freunden.« In perfektem Englisch. Sie wusste, sie sollte es nicht tun, aber sie konnte es sich nicht verkneifen. Gerechte Rache für die unerwartete Begegnung vor ihrer Tür.
    »Schon in Ordnung, Jay, das kommt vor«, antwortete sie auf Englisch und fügte dann auf Tschechisch hinzu: »Auf Wiedersehen, Herr Krasnohorský. Und noch einen schönen Tag!«
    Das charmante Lächeln verschwand urplötzlich aus Jay Beaumonts Gesicht. Er wurde aschfahl unter seiner Sonnenbräune. Larissa nickte ihm lächelnd zu und ging zum Aufzug. Der schöne Tag, den sie ihm gewünscht hatte, schien ihm verhagelt zu sein.
     
    Markéta Kousalová sah David Anděl von ihrem Sofa im Wohnzimmer aus verwirrt an. »Die Spurensicherung? Aber was sollen die noch finden können nach all der Zeit?«, fragte sie.
    »Wie ich Ihnen schon am Telefon gesagt habe, Frau Kousalová, nehmen wir an, dass Dana Volná in dieser Wohnung ums Leben gekommen ist. Vielleicht finden wir also noch Blutspuren. Ich weiß, es hört sich makaber an, aber wir müssen herausfinden, wo die Frau getötet wurde. Sie wurde zuletzt gesehen, als sie aus diesem Haus gebracht wurde«, erklärte Anděl geduldig.
    Er betrachtete die Frau, die ihm gegenübersaß. Sie mochte Anfang, Mitte vierzig sein, ein recht hübsches, wenngleich unscheinbares Gesicht, eine etwas mollige Figur, aber insgesamt ein angenehmer Anblick. Sie sei Visagistin an der Staatsoper, hatte sie ihm

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