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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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schwieg einen Moment. »Dann ist etwas umgefallen. Und kurz darauf hörte ich jemanden die Treppe hinunterlaufen.«
    »Und dann?«, fragte Anděl nach einer Weile, als sie wieder schwieg.
    »Dann? Dann … bin ich … ich bin …«
    »Sie haben nachgesehen, was passiert ist, nicht wahr?«, half Anděl nach.
    Markéta nickte. »Die Tür war nur angelehnt. Ich bin nicht hineingegangen. Ich habe nur durch die Tür hineingesehen, wirklich!«
    »Was haben Sie gesehen?«
    Markéta zog intensiv an ihrer Zigarette. Die Spitze glühte rot auf, und die Glut fraß sich knisternd in das Papier und den billigen Tabak. Sie inhalierte tief, hielt kurz die Luft an und blies den Rauch aus. Eine weiße Wolke wehte über den Tisch und verflüchtigte sich im Raum.
    »Sie lag auf dem Boden im Schlafzimmer. Und … und neben ihr …«, sagte sie mit zitternder Stimme, »neben ihr …« Markéta begann zu schluchzen, zog erneut an ihrer Zigarette. Tränen rannen ihre Wangen hinunter. Sie sprang auf und lief hinaus in die Küche.
    Neben ihr – was? Sie hatte doch gesagt, Venca sei die Treppe hinuntergelaufen. Nein, verbesserte sich Anděl, sie hatte gesagt, sie habe Schritte auf der Treppe gehört, das konnte irgendjemand gewesen sein. Es gab schließlich noch mehr Wohnungen im Haus.
    Markéta kam mit einer Packung Papiertaschentücher zurück. Sie hatte ihre Tränen getrocknet. Ihre Augen waren rot, die Wimperntusche verschmiert. Sie setzte sich wieder, klopfte die Asche in den Aschenbecher.
    »Entschuldigen Sie bitte. Ich habe schon lange nicht mehr an diesen Abend gedacht.«
    Du lügst, meine Liebe, dachte Anděl, doch er sagte nichts, nickte nur verständnisvoll. Er holte seine eigene Packung Zigaretten heraus und zündete sich eine an.
    »Ich habe aus dem Fenster auf die Gasse gesehen, bevor ich rübergegangen bin. Ich habe ihn aus dem Haus laufen sehen. Venca ist weggelaufen. In der Wohnung – sie lag da, neben der Kommode, und neben ihr …«, Markétas Stimme überschlug sich, »neben ihr kniete – nein, nein, ich muss mich getäuscht haben!« Sie schluchzte laut auf und schüttelte heftig den Kopf. »Sie kann das nicht getan haben! Niemals! Sie hätte das nie getan!« Das Schluchzen wurde immer heftiger. Sie verbarg den Kopf in den Händen. Anděl nahm ihr die brennende Zigarette aus der Hand und drückte sie aus. Wen, zum Teufel, hatte sie gesehen? Er stand auf, ging in die Küche und brachte ihr ein Glas Wasser.
    »Hier, trinken Sie. Oder brauchen Sie etwas Stärkeres?«, fragte er fürsorglich.
    »Da drüben in der Vitrine«, sagte sie mit brüchiger Stimme, »einen Becherovka, bitte.«
    Anděl ging zu einem Teewagen, auf dem eine Sammlung verschiedener Alkoholika und einige Gläser standen. Er nahm ein kleines Likörglas und goss einen Becherovka ein. Sie nahm das Glas und drehte es in den Händen. Sie atmete tief ein. Und wieder aus.
    »Wer kniete neben ihr?«, fragte Anděl leise.
    »Eine … eine Frau. Sie kniete neben ihr und sah auf sie herunter und dann – nein!«
    »Was hat die Frau getan?«
    Markéta starrte in den Rauch, der zwischen ihnen hing. »Sie hat Dana umgedreht. Sie hatte auf dem Bauch gelegen, wissen Sie.« Sie sah ihn mit Entsetzen in den Augen an. »Und dann hat sie zugeschlagen, und noch mal – immer wieder! Sie … sie hat ihr das Gesicht zerschlagen …« Tränen rannen über Markétas Wangen. Sie schluchzte nicht mehr. Anděl nahm ihr das Taschentuch aus der Hand und trocknete ihre Tränen. Dann setzte er sich wieder.
    Eine Frau. Eine Frau hatte Dana Volná erschlagen? Konnte das möglich sein? War dieser Krasnohorský am Ende gar nicht der Mörder? Warum hatte er die Leiche versteckt? Und wer war diese andere Frau?
    »Wer war die Frau?«, fragte er leise.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Hat sie Sie gesehen?«, fragte er.
    Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich bin zurück in unsere Wohnung gelaufen, mir ist schlecht geworden. Ich habe mich übergeben. Im Bad.« Sie sah ihn verzweifelt an. »Sie kann es nicht getan haben! Ich muss das alles geträumt haben – ich, vielleicht …«
    Eine Augenzeugin. Sie hatten eine Augenzeugin des Mordes. Und der Mörder – die Mörderin, besser gesagt – wusste nichts davon. Hoffentlich. Egal, was Markéta glauben wollte, er war sicher, sie hatte das alles gesehen und nicht etwa geträumt. Vermutlich verursachte ihr diese lange zurückliegende Nacht bis heute Albträume. Ob sie wohl jemals irgendjemandem davon erzählt hatte?
    »Ich habe Milan angerufen. Er

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