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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Anblick ihnen beiden beinahe das Blut in den Adern hatte gefrieren lassen.
    Die Frau im roten Kleid. Ein Collier aus blutroten Steinen. Es war, als habe sie in diesem Moment in einen Spiegel geblickt. Vor Entsetzen war ihr das Glas aus der Hand gefallen. Er kannte die Frau, besser als sie sogar, und doch war beiden bis zu diesem Moment diese Ähnlichkeit nicht aufgefallen. Es war dieses Kleid, das den Groschen hatte fallen lassen. Sie war nach Prag gekommen, um diese junge Frau zu finden. Doch so unvermittelt und unvorbereitet auf sie zu stoßen, hatte sie schockiert. Nur sie wusste, wer die junge Frau wirklich war. Sie hatte es ihm nicht gesagt. Und sie würde es auch nicht tun. Sollte er selbst draufkommen. Sie bebte vor Wut. Nie hätte sie gedacht, dass er nach all der Zeit noch immer so viel Leidenschaft in ihr entfachen könnte. Damals war es Liebe gewesen, heute war es blanker Hass.
    Er hatte sie damals nicht haben wollen, und Jahre später, als er mit ihr fliehen wollte, hatte sie wieder alles für ein gemeinsames Leben mit ihm riskiert. Was für eine sentimentale Idiotin sie gewesen war! Hätte er sie damals nicht versetzt, nach dieser verrückten Flucht, sie hätte ihm alles gesagt. Sie wäre zu Kreuze gekrochen, für ihn. Für ihn hätte sie es getan, hätte sie alles getan. – Sie hatte alles getan, verdammt noch mal! Und er? Er hatte sie wieder verraten. War das die Vergeltung des Schicksals für jenen Sommer? Egoistisches Miststück – die Worte hallten noch immer in ihrem Kopf, nach all diesen Jahren. Sentimentale Gans! Vorbei. Sie konnte es nicht mehr ändern. Aber sie konnte versuchen, das zu retten, was noch zu retten war.
    Irrsinn, sich mit Honza an einem so öffentlichen Ort auf Tschechisch zu unterhalten. Zum Glück war die Terrasse leer gewesen. Erst unten auf dem Platz hatte sie sich beruhigt. Sie hatte ihn angerufen und um ein Treffen am späten Nachmittag gebeten – und ihn angefleht, bis dahin nichts zu unternehmen. Sie brauchte Zeit. Mein Leben, dachte sie, nichts und niemand wird es diesmal ruinieren! Er hatte widerstrebend versprochen zu warten.
    Sie war in die Redaktion gelaufen und hatte fieberhaft überlegt, was sie tun könnte. Die Nachbarin finden. Ein paar Telefongespräche später wusste sie, wo die Frau war – und vor allem, wo sie arbeitete. Wie überaus praktisch, dachte sie und schmunzelte. Ein Treffen nach Dienstschluss. Und dann – Improvisation.
    Einigermaßen beruhigt hatte sie sich den anderen Beteiligten zugewandt. Der anonyme Anrufer. Es konnte nur einer sein, die eine Person, die offenbar zu viel wusste und nichts zu verlieren hatte bei diesem makaberen Spiel. Aber was hatte er zu gewinnen, fragte sie sich. Warum in aller Welt hatte er Larissa angerufen? Nach all den Jahren. Sie musste mit ihm sprechen, bevor es die Polizei tat. Sie glaubte nicht, dass Anděl und Nebeský schon wussten, wer der Mann war. Larissa hätte es ihr sicher gesagt. Sie musste Milan Hora zuerst finden, koste es, was es wolle.
    Ein paar weitere Anrufe später hatte sie schließlich eine Adresse und eine Telefonnummer. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie nicht einfach das nächste Flugzeug zurück nach Amerika nehmen sollte. Noch wusste niemand, wer sie war. Noch konnte sie einfach verschwinden. Auf Nimmerwiedersehen. Ein neuer Name vielleicht, ein neues Leben.
    Warum nur hatte Honza auf die Nachbarin gehört und die Leiche in die Metro geschafft? Warum hatte er damals nicht einfach die Wohnung verlassen? Er hatte Venca nicht verraten wollen. Aber, dachte sie, bevor man die Leiche gefunden hätte, wäre Venca längst auf Malta gewesen. Weit weg. Und wer hätte ihm beweisen wollen, dass er am Abend seiner Abreise noch in Danas Wohnung gewesen war? Die verdammte Nachbarin. Heute Abend würde sie sich um die Kleine kümmern.
    Zurück zu Milan Hora. Hatte er Venca gesehen? Wohl kaum, denn sonst hätte er nicht nur Honza angeschwärzt. Kein Wunder, dass Milan ihn verraten hatte – Rache war schon immer ein beliebtes Motiv für Verrat gewesen. Und Venca? Der würde den Teufel tun und sich selbst stellen. Dabei hatte sie damals alles so gut geplant, alles perfekt eingefädelt, damit Honza doch noch den Posten auf Malta bekommen musste. Honza hatte alles verpatzt, was musste er auch unbedingt den loyalen Freund spielen! Zu spät.
    Aber Honza hatte bei ihrem Gespräch noch eine Person erwähnt. Ihr hatte der Atem gestockt, als Honza ihr erzählte, wie er nach Kanada geflohen war. Ich musste dem

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