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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aber eine andere, hellere losdonnerte.
    »Zwei Teufel!« kreischte Jefim. »Die ganze Hölle ist zu uns gekommen! Wo ist Tigran Rassulowitsch mit seinem Kreuz? Nur er kann uns noch retten!«
    Aber das war eine vergebliche Hoffnung. Gasisulin, den man mit drei anderen losgeschickt hatte, um den Popen und den Doktor zu wecken und zu holen, kam bleich und zitternd zurück. Auch seine Begleiter sahen völlig verstört aus.
    »Was ist?« schrie Petrow. »Wo ist Väterchen Tigran?«
    »Weg! Verschwunden!« Gasisulin lehnte sich an die Mauer von Anastasias Haus. »Wir haben geklopft, gehämmert, schließlich mit Stangen gegen die Tür geschlagen. Da sprang sie auf. Wir gingen ins Haus, aber es ist leer! Alles leer! Kein Väterchen – kein Doktor! Die Betten unberührt!«
    »Die Teufel haben unseren Popen geklaut!« brüllte Jefim, der alles gehört hatte. »Der Weltuntergang ist da! Und keinen geistlichen Beistand!«
    Wen wundert es, daß die fromme Witwe Anastasia, deren Blinis mit Zubehör der Pope so gern genossen hatte, in tiefe Ohnmacht fiel? Petrow brachte sie ins Haus, legte sie auf die Ofenbank und rannte wieder nach draußen.
    Dort hatte sich die Situation erneut geändert, denn nun ertönte zweistimmiger Gesang aus dem verfluchten Haus. Luka Serafinowitsch kniete im Schnee und betete.
    »Jetzt singen sie zweistimmig …«, stammelte er. »Genosse Petrow, das ist der große Hochzeitssegen … Ich kenne ihn, ich habe schließlich dreimal geheiratet …«
    Das stimmte. Zwei Frauen waren Luka weggelaufen, weil es ihnen in Satowka zu einsam war. Er hatte sie aus Batkit mitgebracht, und das war ein Fehler gewesen. Jetzt, die dritte, war aus dem Dorf und hielt aus, weil sie es nicht anders kannte. Aber dreimal heiraten – das bildet! Vor allem kennt man dann die nötigen Gesänge …
    Petrow und das ganze Dorf rund um das verfluchte Haus lauschten. Die Teufel sangen immer noch zweistimmig und jubilierten die christlichen Weisen.
    »Freunde und Genossen!« sagte Petrow stockend zu den Bauern. »Wir werden Michail Sofronowitsch nie mehr sprechen können … Die Teufel verheiraten ihn mit der Gräfin Albina, und dann schlitzt sie ihm den Hals auf. Morgen liegt er vor der Tür. Aber das wollen wir abwarten! Genossen, wir halten aus, bis unser Freund Tassburg aus dem Haus taumelt wie vor kurzem der Genosse Kassugai!«
    Die Leute von Satowka nickten stumm. Das Petroleum in den Lampen reichte bis zum Morgen. Rückt zusammen, Genossen! Schnee kennen wir, Frost auch – wir halten durch bis zum Morgen!
    Wann erlebt man das noch mal, daß Teufel Hochzeit feiern?
    Nach zwei Stunden – im Haus war es stiller geworden, dafür roch es nach Braten und Kraut aus dem Schornstein, was nur zeigte, mit welch höllischer Impertinenz die Teufel vorgingen – wurde ein Teedienst eingerichtet. In zwei Häusern wurden Kessel voll Tee gekocht, den man in Bechern rund um das verfluchte Haus herum verteilte.
    Es geschah alles lautlos, damit man nicht einen Ton verpaßte, der aus dem Haus dringen konnte. Bisher hatten die meisten Opfer der Gräfin – so stand es in der Chronik, die der Pope hütete – einen solchen letzten Laut von sich gegeben, eigentlich alle bis auf Morosowski, der ja schlafend von der Bank gestürzt war und sich somit lautlos das Genick gebrochen hatte.
    »Meistens war es gegen Morgen!« prophezeite der Idiot Jefim, der sich gut auskannte, weil ihm Tigran alles erzählt hatte. »Wenn Sie Väterchen Tigran und den Doktor auch geholt haben, müßten es drei Schreie sein …«
    »Und drei Särge und drei Gräber!« Gasisulin schob sich an den Dorfsowjet heran. »Das ist unzumutbar, Genosse, bei diesem Frost drei Gräber auszuheben! Ich stelle den Antrag, die Toten einzufrieren – oder ich sprenge wieder!«
    Von allem, was draußen geschah, hörten, ja, ahnten die Hochzeiter im Hause nichts.
    Tigran hatte seinen Segen gesprochen und Michail und Natalia miteinander vermählt. Sie hatten gehorsam eine Hostie geschluckt, und dann hatten Tigran und Dr. Plachunin zweistimmig gesungen. Es klang sehr schön, trotz der Lautstärke. Wirkliche Feierlichkeit durchzog das Haus, und als Natalia und Michail sich küßten, diesmal als Mann und Frau, war sogar Dr. Plachunin ehrlich gerührt.
    »Und jetzt zum Essen!« verkündete der plötzlich sehr realistische Tigran. »Es duftet wie im Paradies! Lasset uns zu Tisch gehen und fröhlich sein! Was gibt es?«
    »Einen Rinderbraten mit Blätterkohl. Dazu Wodka!« Dr. Plachunin, der am Herd

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