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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stand, rieb sich die Hände. »Man müßte Ingenieur sein und nach Erdgas suchen! Es war doch eine gute Idee, diese Hochzeit abzuhalten!«
    Bis zu dem Augenblick, an dem Tigran und Dr. Plachunin satt und mit vom Alkohol getrübten Hirnen das Haus wieder verlassen wollten, hielt sich diese Ansicht.
    Der Pope, der die Tür geöffnet hatte, prallte sofort zurück und schlug sie wieder zu. Er hatte den Fackelschein rings um das Haus gesehen und ahnte, was er zu bedeuten hatte.
    Dr. Plachunin, der ihm gefolgt war, stieß hart gegen ihn. »Was ist los?« schrie er. »Sind Sie verrückt? Sie zerquetschen mich ja!«
    »Wir können nicht hinaus!« sagte Tigran dumpf. »Wir sind umzingelt! Das ganze Dorf steht um das Haus. Herr im Himmel, wenn man mich hier gesund herauskommen sieht – ich kann mich aufhängen! Hier können doch nur Tote herauskommen!«
    »Und Tassburg?«
    »Der bildet eine Ausnahme. Aber nun stehen die Leute draußen, um auch ihn sterben zu sehen! Oh, Sie mit Ihrem lauten Gesang! Die Posaunen von Jericho waren Flöten dagegen!«
    »Sie haben auch nicht gerade geflüstert«, sagte der Doktor. Er öffnete die Hintertür einen Spalt und blickte in die Nacht hinaus. Jetzt sah auch er den Kreis von Fackeln und Laternen. »Warten wir also …«
    »Und bis dahin gelten wir bei den Leuten als verschwunden! Was sollen wir erzählen, wo wir gewesen sind?« Tigran tappte zurück in die große Stube. Dort umarmten sich gerade Natalia und Michail, glücklich, endlich wieder allein zu sein.
    »Auseinander!« rief Tigran und ließ sich schwer auf die Bank fallen. »Ihr seid glücklich, aber mich vernichtet eure Hochzeit – wenn mir nichts Erhabenes zu meiner Rettung einfällt …«
    Auch dem wendigsten Geist fällt nicht immer ein Ausweg ein. Tigran Rassulowitsch raufte seinen Bart, strich ihn wieder glatt, lief zum Fenster und lugte durch die beiseite geschobene Decke ins Freie – aber draußen richteten sich die Bauern von Satowka auf eine lange Nacht ein.
    »Sie tragen Teekessel herum«, stöhnte Tigran und ließ sich wieder auf die breite Bank fallen. »Wißt ihr, was das bedeutet? Sie warten, und selbst wenn statt Schnee Jauche vom Himmel regnen sollte! Was soll ich tun? Dr. Plachunin, sagen Sie doch auch mal etwas! Erst jagt er uns mit seinem Gesang alle aus den Betten, und jetzt steht er herum und säuft Wodka! Das sollte ich einmal wagen!«
    »Ich habe eine gesunde Leber, Väterchen Pope!« Plachunin kratzte sich den Kopf und dachte nach. Die Situation war wirklich kritisch, darüber gab es keinen Zweifel. Wenn man draußen Tee verteilte, war die Nacht verloren – Tigran und er mußten sie hier verbringen. Am Tage konnte man auch nicht ungesehen aus dem Haus schleichen – also blieb nur die nächste Nacht. Aber wie schon Tigran richtig erkannt hatte: Wie konnte man das Verschwinden und Wiederauftauchen eines Popen und eines Arztes den Leuten erklären? Im Sommer wäre es einfach gewesen: Wir haben einen Ausflug in die Taiga gemacht, hätte man sagen können. So dumm es auch klingen mochte – niemand konnte ihnen das Gegenteil beweisen. Aber jetzt, bei diesem Schnee, bei dieser Kälte, bei den undurchdringlichen Verwehungen …?
    »Michail Sofronowitsch, wir müssen Ihre Gastfreundschaft länger in Anspruch nehmen!« sagte Dr. Plachunin und goß sich den Rest aus der Wodkaflasche ein. »War es schon eine besondere Hochzeit, so betrügen wir Sie nun auch noch um die Hochzeitsnacht. Aber die Umstände …«
    »Hochzeitsnacht!« Tigran winkte ab. »Sind das Ihre ganzen Sorgen, Doktor? Die Braut bekommt ja schon ein Kind …«
    »Was wissen Sie als Pope davon! Die Nacht nach der Hochzeit ist immer eine besondere Nacht, selbst wenn man schon vier Kinder haben sollte!«
    »Ich glaube kaum, daß das jetzt unser Problem ist!« Tassburg blickte ebenfalls durch einen Ritz der Decke zum Fenster hinaus. Er konnte genau auf Anastasias Haus blicken und sah Petrow, den Idioten Jefim, den Sargmacher Gasisulin, seinen Vorarbeiter Grigori, Konstantin und einen Geologen, der mit Grigori schon vor zwei Tagen aus der Taiga gekommen war und den man anscheinend jetzt aus dem Lager geholt hatte, vor Anastasias Haus stehen. Sie tranken alle Tee, er dampfte vor ihren Gesichtern, und eine Bäuerin mit einem Henkelkorb am Arm verteilte belegte Brote unter die Wartenden. »Im Augenblick können Sie gar nichts machen! Wahrscheinlich werden Sie bis morgen abend hierbleiben müssen.«
    »Ich habe eine Idee!« sagte Tigran plötzlich.

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