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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es deutlich. Eine menschliche Stimme.
    »… ein Unterleutnant und ein Gefreiter –«, brüllte sie.
    Nikolai Igorowitsch wurde unruhig. Soldaten, dachte er. Was macht ein guter, friedlicher Soldat bei einem solchen Sturm draußen vor meiner Datscha?! Hat man das fehlende Schweinchen vielleicht doch entdeckt?
    »Wer da?« schrie Nikolai Igorowitsch durch die Reinigungsklappe nach oben. Er winkte Natascha. Sie kam herbei, steckte den Lauf des Gewehres in die Klappe und wartete.
    »Wo ist die Tür?« brüllte draußen Luka, der Idiot. »Macht auf, ihr Hunde! Liegen da unten mit dem Hintern auf dem dampfenden Ofen, die Brüderchen, und wir vergehen vor Kälte … Wollt ihr wohl 'rauskommen, ihr Ameisen?! Sollen wir erfrieren?«
    Nikolai war unsicher, was er tun sollte. Waren es Soldaten und er machte nicht auf, so gab es Komplikationen bis zum Genossen Bezirkskommissar. Waren es Strolche, so würde es einen Kampf geben. Ach ja, es war schon schwer, solch ein Winter. Nikolai steckte den Kopf in die Reinigungsklappe.
    »Zum Wald hin ist die Tür!« schrie er hinauf. »Genau unter dem Kamin. Ich mach auf. Hast du eine Schaufel?«
    »Hunger hab' ich!« Luka kroch vom Kamin zurück. Hinter ihm stand mit klappernden Zähnen Fedja Astachow. Sein Gesicht war ein bizarrer Eiszapfen. »Gleich, Genosse Unterleutnant, gleich haben wir's!« sagte Luka tröstend.
    Unter dem Dach, zum Wald hin, brach der Schnee plötzlich ein. Von innen hatte Nikolai geöffnet und eine Schneewand fiel in die Stube. Von oben hörte man Stimmen und stampfende Schritte. Nikolai bohrte mit einer großen Schaufel ein Loch in den Schneeberg, er fraß sich durch die zusammengefrorenen Kristalle, wie ein Maulwurf wühlte er sich dem Himmel entgegen, dem Sturm, den rasenden Flocken. Einen Meter vor ihm brach plötzlich ein Mensch durch den Schnee. Ein Riese. Ein Untier. Ein vereistes Monstrum. Nikolai umklammerte den Stiel seiner Schaufel und hob sie zum Schlage hoch. Hinter ihm stand Natascha mit angelegtem Gewehr. Olga hatte den Hund am Nackenfell gepackt und wartete darauf, daß Nikolai brüllte: »Los, Wolschiza … los. Pack ihn!«
    »Da sind wir, Genosse Unterleutnant!« rief Luka. Er zog eine zweite Gestalt in das Loch, kleiner, zierlicher, ebenso vereist und unkenntlich wie er. Nikolai ließ die Schaufel sinken. Er grub den Weg größer und wich dann zurück, als die beiden Fremden in die Wärme der Hütte traten. Natascha hatte den eingefallenen Schnee weggefegt … er schmolz schnell, und die Lache floß durch ein Loch unter der Hütte weg zur Jauche. Eine Privatkanalisation, auf die Nikolai Igorowitsch stolz war und sogar in der Selskoje Chosjaistwo berichtet hatte. Olga saß auf der Ofenbank. Ihr langer Rock verdeckte die Öffnung auf dem Boden, in die Natascha die Pfanne mit dem Speck geschoben hatte.
    Schwankend ging Fedja zu einer Holzbank und ließ sich auf sie niederfallen. Er streckte die Beine weit von sich, breitete die Arme aus und ließ das Eis von seinem Pelz abspringen. Vorsichtig löste er die Eisstückchen aus seinem Gesicht und rieb es dann mit Schnee ab, den Luka von seinen riesigen Handschuhen schüttelte. Erst dann blickte er sich um und sah Natascha. Es war ein Ansehen und ein Erkennen der Schönheit zugleich. Und es war ein heißer Stich, der durch sein junges Herz fuhr, wie eine scharfe Degenklinge.
    »Um Entschuldigung muß ich bitten!« sagte er artig und erhob sich wieder. Er verbeugte sich vor Nikolai, vor der wieder Teig rührenden Olga und vor Natascha, sie mit den Augen während der Verneigung verschlingend. Als Wasser liefen Schnee und Eis jetzt von seinem Pelz und aus seiner Uniform und sammelten sich um seine Stiefel zu einer großen Lache. Am Ofen hatte Luka seinen Pelz ausgezogen und warf ihn über eine Leine, die vom Ofen in die hintere Ecke gespannt war. Früher hing dort eine schöne, goldene Ikone. Die Schwarze Mutter Gottes von Tschenstochau. Vater Igor und dessen Vater Walerij hatten das Ewige Licht immer gepflegt … Winter wie Sommer … einhundertzwanzig Jahre lang. Erst Nikolai Igorowitsch mußte die Ikone auswechseln. Jetzt hing Stalin in der Ecke. Aber ohne Ewiges Licht. Das war die stille Rache Nikolais.
    »Wir sind auf der Fahrt nach Smolensk. Und nicht weit von hier ist uns die Vorderachse gebrochen. Beim Sturm – verflucht sei er! – sind wir von der Straße abgekommen. Ein Glück, daß Luka den Rauch sah. Wir wären umgekommen …«
    »Es wäre schade um einen solch jungen Offizier«, sagte

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