Natascha
vom Bezirkssowjet mitgebracht hatte. Und blond ist er, und klug ist er, und schön ist er, und höflich ist er, und so hilflos ist er in all dem Schnee und Sturm und der einsamen Weite bis Tatarssk. Ob er schon schläft, der schöne Unterleutnant Fedja? Oder ob er an mich denkt? Ja, bitte, bitte … denk an mich … denk an Natascha Tschugunowa … ich denke auch an dich, Fedja Iwanowitsch … die ganze Nacht will ich denken … Ich muß es ja … das Herz klopft ja so …
Glücklich war Natascha, unbeschreiblich glücklich. Sie legte den Kopf gegen den Kamin und hörte durch ihn das Heulen des Sturmes.
Heule, dachte sie. Heule morgen und übermorgen, hör nicht auf zu heulen … Dann muß er bleiben … Fedja muß bleiben … hör nicht auf, Sturm … vernichte die Erde, aber laß Fedja hier.
Fedja Astachow lag still auf dem Rücken. Er hatte die Augen offen und lauschte angestrengt zum Nebenraum hinüber. Dort rührte sich nichts. Nur ab und zu räusperte sich Nikolai.
Ob sie schon schläft? dachte auch er. Natascha Tschugunowa –
Und er dachte: Ich könnte hinauslaufen und den Sturm umarmen. Durch ihn habe ich Natascha gesehen. Ich werde alle Stürme Rußlands lieben, weil in ihnen Natascha ist.
Pokojnoj notschi, Natascha …
Träumen werde ich von dir –
Am nächsten Morgen hatte der Sturm etwas nachgelassen. Aus dem Heulen war ein Winseln geworden. Der Schnee aber hatte nicht aufgehört. Er peitschte nicht mehr, sondern er tanzte auf die Erde. Ein schwereloser, gaukelnder Tod.
Natascha kroch vom Ofen, hockte sich vor das Feuer und blies die Flammen an. Sie setzte einen Wasserkessel auf, öffnete die Tür etwas und schippte aus dem Schneeberg vor ihr einen Eimer voll und schüttete ihn in den Kessel. Als das Wasser kochte, warf sie eine Handvoll Teeblätter hinein und rührte mit einem großen Holzlöffel um. Seufzend schob sich Olga vom Ofen, Väterchen Nikolai saß aufrecht und hüstelte.
Aus dem Stall kam Fedja Astachow. Er sah fröhlich und ausgeschlafen aus. Seine Uniform war zwar zerknittert, aber der Glanz seiner Augen überstrahlte dies. Natascha fand es so. Sie goß den Tee in einen steinernen Krug und stellte Tassen auf den Tisch. Dunkles Brot und eine harte Wurst lagen schon darauf. Dazu gesalzene Butter aus dem Faß, Rübenmarmelade und ein Stück schwarzgeräucherten Specks.
»Ist denn Geburtstag?« fragte Nikolai hüstelnd. »Paß auf … der Tisch bricht gleich zusammen!«
»Der Genosse Unterleutnant hat noch einen weiten Weg.« Natascha stellte Zucker auf den Tisch. Grobkörnig, braun, aus eigenen Rüben gewonnen. Dabei schielte sie zu Fedja. Würde er sagen: Nein. Ich bleibe …? Aber er sagte es nicht. Er setzte sich an den Tisch. Luka trottete aus dem Stall, noch verschlafen und ungnädiger Stimmung, weil er beim Aufwachen nicht Darja neben sich liegen hatte. Er war das so gewöhnt, den Tag mit Darja zu beginnen. So etwas brachte schon vom frühen Morgen an eine freundliche Note in das harte Leben.
»Uaaah!« gähnte er. »Die verdammte Tasche!«
»Wir müssen in einer Stunde weiter!« sagte Fedja.
»Aber wie, Genosse Unterleutnant?« fragte Nikolai Igorowitsch.
»Irgendwie … Hast du Pferde? Ich habe mich in deinem Stall nicht umgesehen.«
»Drei, Genosse. Aber bei diesem Wetter mit dem Pferd … und die Wölfe sind da … Sie hetzen dich, Genosse, bis der Gaul im Schnee zusammenbricht, schon aus Angst. Die Knie werden ihm einfach weich … Da kannst du schießen, soviel du willst … es gibt mehr Wölfe im Winter als Patronen …« Nikolai schnitt sich ein Stück schwarzen Specks ab und schob es in den Mund. Luka sah es neidisch. »Wer bezahlt mir die Pferde, he? Wenn dich die Wölfe zerreißen, ist's gleich. Dafür kommt die Rote Armee auf. Aber meine Pferde, krieg ich die ersetzt? Nein! In den Hintern wird man mich treten, einen Feind des sozialistischen Aufbaus wird man mich nennen. Auch das kenne ich!«
»Man könnte mit dem Schlitten fahren, Väterchen«, sagte Natascha.
»Und abholen kann ich ihn mitsamt den Pferden vom Mond!«
»Ich werde mitfahren und sie zurückbringen –«
Nikolai drehte sich zu Fedja herum. »Ist sie nicht ein wenig verrückt, mein Töchterchen?« fragte er entgeistert. »Will bei diesem Wetter hinaus über die Steppe, mit einem offenen Schlitten und zwei Pferden … Was soll man da sagen?«
»Ich bewundere deinen Mut …« Fedja trank einen Schluck von dem heißen Tee. Ihm allein schrieb er zu, daß es glühend in ihm wurde. »Aber sie
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