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Nathalie küsst

Nathalie küsst

Titel: Nathalie küsst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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ich mich nun in Ihrer Gesellschaft wohlfühle? Was muss ich tun?»
    «Das ist unmöglich. Das wird immer unmöglich sein. Gehen Sie lieber.»
    Nathalie wusste nicht, was sie machen sollte. Sollte sie ihn küssen, ihn schlagen, feuern, keines Blickes mehr würdigen, beleidigen, anflehen? Schließlich drehte sie den Türgriff herum und ging.

 
70
    Nach getaner Arbeit feierte Chloé am darauffolgenden Tag ihren Geburtstag. Die Vorstellung, dass ihn jemand vergessen könnte, war ihr unerträglich. In ein paar Jahren würde das sicher gerade umgekehrt sein. Ihren Tatendrang, ihren Eifer, düstere Sphären zum Leuchten zu bringen und die anwesende Belegschaft in eine künstliche gute Laune zu versetzen, musste man zu schätzen wissen. Es waren so gut wie alle auf diesem Stockwerk beschäftigten Personen zugegen, und Chloé war umringt von ihnen und trank ein Glas Champagner. Und wartete auf ihre Geschenke. Der ins Lächerliche übersteigerte Ausdruck ihres Narzissmus hatte etwas Anrührendes, etwas beinah Betörendes.
    Der Raum war nicht besonders groß; Markus und Nathalie strengten sich dennoch an, so weit wie irgendwie möglich voneinander entfernt zu stehen. Am Ende hatte sie seiner Bitte stattgegeben und bemühte sich mehr schlecht als recht, sich außerhalb seines Gesichtsfelds zu halten. Chloé, die das niedliche Theater beobachtete, ließ sich nicht täuschen. «Ihre Art, nicht miteinander zu reden, spricht Bände», dachte sie. Welch Scharfsinn. Nun gut, sie wollte sich jetzt nicht zu sehr mit dieser Geschichte beschäftigen; ihr Geburtstagsumtrunk musste ein Erfolg werden, das war mitAbstand das Wichtigste. Das vollzählige Personal, die Benoîts und Bénédictes, stand träge herum, in Anzug und Kostüm, das Glas in der Hand, und übte sich in der Kunst der Geselligkeit. Markus beobachtete die leichte Angespanntheit bei jedem Einzelnen und fand dieses kollektive Treiben grotesk. Doch das Groteske hatte für ihn ein zutiefst menschliches Gesicht. Er wollte auch daran teilhaben. Und hatte sich gedacht, das alles musste Hand und Fuß haben. Deswegen hatte er am Spätnachmittag telefoniert und einen Strauß weißer Rosen bestellt. Einen riesigen Strauß, der in überhaupt keinem Verhältnis zu seinem Verhältnis zu Chloé stand. Eine Art Bedürfnis, sich an etwas Weißes zu klammern. An eine weiße Gewalt. Die den durch das Rot angerichteten Schaden behebt. Als die junge Frau, die die Blumen brachte, sich am Empfang meldete, ging Markus nach unten. Ein wunderliches Bild: In einer nüchternen und seelenlosen Eingangshalle nimmt Markus einen riesigen Strauß entgegen.
    So ging er hinter diesem ehrwürdigen weißen Haufen auf Chloé zu. Sie sah ihn kommen und fragte:
    «Ist der für mich?»
    «Ja. Alles Gute zum Geburtstag, Chloé.»
    Sie schaute betreten drein. Instinktiv drehte sie ihren Kopf in Richtung Nathalie. Chloé hatte keine Ahnung, was sie zu Markus sagen sollte. Zwischen ihnen bildete sich ein weißes Schweigen: ein weißes Quadrat auf weißem Grund. Alle schauten die beiden an. Das heißt das, was von ihren Gesichtern zu erkennen war, die Fragmente, die durch dasWeiß hindurchschienen. Chloé spürte, dass sie etwas sagen musste, aber was? Endlich:
    «Das wär nicht nötig gewesen. Das ist zu viel des Guten.»
    «Ja, zweifellos. Aber mir war so nach was Weißem.»
    Der nächste Mitarbeiter trat mit seinem Geschenk vor, und Markus nutzte die Gelegenheit, um die Kurve zu kratzen.
    Von Weitem hatte Nathalie die Szene verfolgt. Sie hatte Markus’ Prinzipien akzeptieren wollen, doch nachdem sie von dem Schauspiel, das sie hatte mit ansehen müssen, furchtbar peinlich berührt war, beschloss sie, ihn zur Rede zur stellen.
    «Warum haben Sie ihr diesen riesigen Rosenstrauß geschenkt?»
    «Ich weiß es nicht.»
    «Hören Sie … Ihr autistisches Gehabe hängt mir langsam zum Halse raus … Sie wollen mich nicht anschauen … Sie wollen sich nicht erklären.»
    «Ich versichere Ihnen, ich weiß es nicht. Mich beschämt die Sache doch am meisten. Ich habe schon gemerkt, dass der Strauß überproportioniert ist. Aber da kann man jetzt auch nichts mehr machen. Als ich ihn bestellt habe, habe ich bloß gesagt, bitte einen riesigen Strauß weißer Rosen.»
    «Sind Sie verliebt in sie, oder wie?»
    «Sind Sie eifersüchtig, oder was?»
    «Ich bin nicht eifersüchtig. Aber ich beginne mich zu fragen, ob unter dem Deckmantel des depressiven Kavaliers, der sich aus dem fernen Schweden herabgelassen hat, nicht ein

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