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Nathalie küsst

Nathalie küsst

Titel: Nathalie küsst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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großer Verführer steckt.»
    «Und Sie … sind in Wirklichkeit eine Expertin für die Seelenlagen des Mannes, so viel steht fest.»
    «Das ist doch eine lächerliche Unterhaltung.»
    «Lächerlich ist, dass ich auch ein Geschenk für Sie besorgt … und es Ihnen nicht gegeben habe.»
    Sie schauten sich an. Und Markus dachte: Wie konnte ich glauben, ich könnte sie nicht mehr ansehen? Er lächelte sie an, und sie beantwortete sein Lächeln mit einem Lächeln. Ein regelrechter Walzer des Lächelns begann. Schon seltsam, wie man manchmal Entscheidungen trifft, wie man sich vorsagt, von nun an wird alles so und so sein, und dann genügt eine leise Lippenbewegung, und schon ist die für die Ewigkeit gedachte Gewissheit dahin. Markus’ Vorsätze fielen gerade im Angesicht der Tatsachen in sich zusammen, der Tatsache von Nathalies Gesicht. Ein müde wirkendes, von einem Schleier der Verständnislosigkeit bedecktes Gesicht, aber immer noch Nathalies Gesicht. Wortlos und unbemerkt kehrten sie der Feier den Rücken, um sich in Markus’ Büro einzufinden.

 
71
    Das Zimmer war klein. Die Erleichterung, die sich zwischen ihnen breitmachte, reichte aus, um den Raum zu füllen. Sie genossen es, allein zu sein. Markus sah Nathalie an, und die Verunsicherung, die er in ihren Augen las, wühlte ihn auf.
    «Also, was ist jetzt mit diesem Geschenk?», fragte sie.
    «Ich gebe es Ihnen, aber Sie müssen versprechen, dass Sie es nicht öffnen werden, bevor Sie zu Hause sind.»
    «Einverstanden.»
    Markus hielt ihr ein kleines Päckchen hin, und Nathalie steckte es in ihre Tasche. Sie blieben einen Augenblick so stehen,
einen Augenblick, der unvermindert fortdauert
. Markus fühlte sich nicht verpflichtet, etwas zu sagen, die Leerstellen aufzufüllen. Sie waren gelöst und glücklich, dass sie wieder zusammen waren. Nach einer Weile meinte Nathalie:
    «Vielleicht sollten wir wieder zu den anderen gehen. Das macht sonst einen komischen Eindruck.»
    «Sie haben recht.»
    Sie verließen das Büro und schritten die Gänge entlang. Als sie den Ort der Feierlichkeiten erreichten, gab es eine Überraschung: Keiner mehr da. Der Umtrunk war beendet, die Spuren beseitigt. Sie überlegten: Wie lange hatten sie sich in dem Büro aufgehalten?
    Zu Hause auf dem Sofa machte Nathalie das Päckchen auf. Es war eine PEZ-Box. Sie konnte es kaum fassen, die gab es in Frankreich nämlich gar nicht zu kaufen. Tief berührt von dieser Geste, streifte sie erneut ihren Mantel über und ging aus dem Haus. Mit einer Armbewegung (eine Geste, die ihr plötzlich ganz selbstverständlich erschien) hielt sie ein Taxi an.

 
72
    Der Wikipedia-Artikel über PEZ (Marke)
    Der Name PEZ ist aus dem ersten, mittleren und letzten Buchstaben des Wortes Pfefferminz abgeleitet. Die Pfefferminze gilt als die erste Heil- und Gewürzpflanze, mit der Handel getrieben wurde. PEZ stammt aus Österreich und wird in die ganze Welt exportiert. Ein Charakteristikum der Marke ist der PEZ-Spender. Die verschiedenen PEZ-Figuren sind mittlerweile zu einem beliebten Sammelobjekt geworden.

 
73
    Als sie vor der Tür stand, zögerte sie einen Moment. Es war schon so spät. Aber da sie den Weg bis hierher gemacht hatte, wäre es absurd gewesen, nun umzukehren. Sie klingelte ein erstes, dann ein zweites Mal. Nichts geschah. Sie versuchte es mit Klopfen. Nach einer Weile hörte sie drinnen Schritte.
    «Wer ist da?», fragte eine verängstigte Stimme.
    «Ich bin’s», gab sie zurück.
    Die Tür ging auf, und Nathalie bot sich ein irritierender Anblick. Da stand ihr Vater mit wirrem Haar und verschrecktenAugen. Er wirkte mitgenommen und ein bisschen so, als wäre ihm etwas gestohlen worden. Letztendlich traf das ja zu: Man hatte ihm soeben den Schlaf geraubt.
    «Aber was machst du denn hier? Ist irgendwas passiert?»
    «Nein … nichts … ich wollte dich sprechen.»
    «Um diese Uhrzeit?»
    «Ja, es ist wichtig.»
    Nathalie betrat die Wohnung ihrer Eltern.
    «Deine Mutter schläft, du kennst sie ja. Kein Weltuntergang könnte sie aus dem Schlaf reißen.»
    «Ich dachte mir schon, dass du derjenige sein wirst, der aufsteht.»
    «Möchtest du was trinken? Einen Tee?»
    Nathalie nickte, und ihr Vater verschwand in der Küche. Ihrer Beziehung war etwas Tröstendes zu eigen. Nachdem der erste Schock verdaut war, hatte der Vater seine Ruhe wiedergefunden. Es war zu spüren, dass er die Sache in die Hand nehmen würde. Und dennoch, Nathalie kam in dieser nächtlichen Stunde der flüchtige Gedanke,

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