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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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vorgeht; mag voraus nicht wittern,

    Was vorgehn wird. - Genug, ich bin umsonst

    Geflohn! umsonst. - Und weiter konnt’ ich doch

    Auch nichts, als fliehn! - Nun komm’, was kommen soll! -

    Ihm auszubeugen, war der Streich zu schnell

    Gefallen; unter den zu kommen, ich

    So lang und viel mich weigerte. - Sie sehn,

    Die ich zu sehn so wenig lüstern war, -

    Sie sehn, und der Entschluß, sie wieder aus

    Den Augen nie zu lassen. - Was Entschluß?

    Entschluß ist Vorsatz, Tat: und ich, ich litt’,

    Ich litte bloß. - Sie sehn, und das Gefühl

    An sie verstrickt, in sie verwebt zu sein,

    War eins. - Bleibt eins. - Von ihr getrennt

    Zu leben, ist mir ganz undenkbar; wär’

    Mein Tod, - und wo wir immer nach dem Tode

    Noch sind, auch da mein Tod. - Ist das nun Liebe:

    So - liebt der Tempelritter freilich, - liebt

    Der Christ das Judenmädchen freilich. - Hm!

    Was tut’s? - Ich hab in dem gelobten Lande, -

    Und drum auch mir gelobt auf immerdar! -

    Der Vorurteile mehr schon abgelegt. -

    Was will mein Orden auch? Ich Tempelherr

    Bin tot, war von dem Augenblick ihm tot,

    Der mich zu Saladins Gefangnen machte.

    Der Kopf, den Saladin mir schenkte, wär’

    Mein alter? - Ist ein neuer; der von allem

    Nichts weiß, was jenem eingeplaudert ward,

    Was jenen band. - Und ist ein beßrer; für

    Den väterlichen Himmel mehr gemacht.

    Das spür ich ja. Denn erst mit ihm beginn

    Ich so zu denken, wie mein Vater hier

    Gedacht muß haben; wenn man Märchen nicht

    Von ihm mir vorgelogen. - Märchen? - doch

    Ganz glaubliche; die glaublicher mir nie,

    Als itzt geschienen, da ich nur Gefahr

    Zu straucheln laufe, wo er fiel. - Er fiel?

    Ich will mit Männern lieber fallen, als

    Mit Kindern stehn. - Sein Beispiel bürget mir

    Für seinen Beifall. Und an wessen Beifall

    Liegt mir denn sonst? - An Nathans? - O an dessen

    Ermuntrung mehr, als Beifall, kann es mir

    Noch weniger gebrechen. - Welch ein Jude! -

    Und der so ganz nur Jude scheinen will!

    Da kömmt er; kömmt mit Hast; glüht heitre Freude.

    Wer kam vom Saladin je anders? - He!

    60
    He,
    Nathan!

    NEUNTER
    AUFTRITT

    Nathan und der Tempelherr.

    NATHAN.
    Wie? seid Ihr’s?
    TEMPELHERR. Ihr
    habt

    Sehr lang’ Euch bei dem Sultan aufgehalten.
    NATHAN.
    So lange nun wohl nicht. Ich ward im Hingehn

    Zu viel verweilt. - Ah, wahrlich, Curd; der Mann

    Steht seinen Ruhm. Sein Ruhm ist bloß sein Schatten. -

    Doch laßt vor allen Dingen Euch geschwind

    Nur sagen …
    TEMPELHERR. Was?
    NATHAN.
    Er will Euch sprechen; will,

    Daß ungesäumt Ihr zu ihm kommt. Begleitet

    Mich nur nach Hause, wo ich noch für ihn

    Erst etwas anders zu verfügen habe:

    Und dann, so gehn wir!
    TEMPELHERR. Nathan,
    Euer
    Haus

    Betret ich wieder eher nicht …
    NATHAN. So
    seid

    Ihr doch indes schon da gewesen? habt

    Indes sie doch gesprochen? - Nun? - Sagt: wie
    Gefällt
    Euch
    Recha?
    TEMPELHERR.
    Über allen Ausdruck!

    Allein, - sie wiedersehn - das werd ich nie!

    Nie! nie! - Ihr müßtet mir zur Stelle denn

    Versprechen: - daß ich sie auf immer, immer -
    Soll
    können
    sehn.
    NATHAN.
    Wie wollt Ihr, daß ich das
    Versteh?
    TEMPELHERR.
    (nach einer kurzen Pause ihm plötzlich um den Hals fallend) Mein
    Vater!
    NATHAN.
    - Junger Mann!
    TEMPELHERR.
    (ihn ebenso plötzlich wieder lassend)

    Nicht Sohn? -

    Ich bitt Euch, Nathan! -
    NATHAN. Lieber
    junger
    Mann!
    TEMPELHERR.
    Nicht Sohn? - Ich bitt Euch, Nathan! - Ich beschwör

    Euch bei den ersten Banden der Natur! -

    Zieht ihnen spätre Fesseln doch nicht vor! -

    Begnügt Euch doch ein Mensch zu sein! - Stoßt mich
    Nicht
    von
    Euch!
    NATHAN.
    Lieber, lieber Freund! …
    TEMPELHERR. Und
    Sohn?

    Sohn nicht? - Auch dann nicht, dann nicht einmal, wenn 61
    Erkenntlichkeit
    zum
    Herzen Eurer Tochter

    Der Liebe schon den Weg gebahnet hätte?

    Auch dann nicht einmal, wenn in eins zu schmelzen,

    Auf Euern Wink nur beide warteten? -
    Ihr
    schweigt?
    NATHAN.
    Ihr überrascht mich, junger Ritter.
    TEMPELHERR.
    Ich überrasch Euch? - überrasch Euch, Nathan,

    Mit Euern eigenen Gedanken? - Ihr

    Verkennt sie doch in meinem Munde nicht? -

    Ich überrasch Euch?
    NATHAN.
    Eh’ ich einmal weiß,

    Was für ein Stauffen Euer Vater denn
    Gewesen
    ist!
    TEMPELHERR.
    Was sagt Ihr, Nathan? was? -

    In diesem Augenblicke fühlt Ihr nichts
    Als
    Neubegier?
    NATHAN.
    Denn seht! Ich habe selbst

    Wohl einen Stauffen ehedem gekannt,
    Der
    Conrad
    hieß.
    TEMPELHERR.
    Nun, - wenn mein Vater denn

    Nun ebenso geheißen

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