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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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entbrechen konnte. Nur von Zeit

    Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald

    Der dritte, - sowie jeder sich mit ihm

    Allein befand, und sein ergießend Herz

    Die andern zwei nicht teilten, - würdiger

    Des Ringes; den er denn auch einem jeden

    Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen.

    Das ging nun so, solang es ging. - Allein

    Es kam zum Sterben, und der gute Vater

    Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei

    Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort

    Verlassen, so zu kränken. - Was zu tun? -

    Er sendet in geheim zu einem Künstler,

    Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes,

    Zwei andere bestellt, und weder Kosten

    Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich,

    Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt

    Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt,

    Kann selbst der Vater seinen Musterring

    Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft

    Er seine Söhne, jeden insbesondre;

    Gibt jedem insbesondre seinen Segen, -

    Und seinen Ring, - und stirbt. - Du hörst doch, Sultan?
    SALADIN.
    (der sich betroffen von ihm gewandt)

    Ich hör, ich höre! - Komm mit deinem Märchen

    55

    Nur bald zu Ende. - Wird’s?
    NATHAN.
    Ich bin zu Ende.

    Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. -

    Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder

    Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst

    Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt,

    Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht

    Erweislich; - (nach einer Pause, in welcher er des
    Sultans
    Antwort
    erwartet)

    Fast so unerweislich, als

    Uns itzt - der rechte Glaube.
    SALADIN. Wie?
    das
    soll

    Die Antwort sein auf meine Frage? …
    NATHAN. Soll

    Mich bloß entschuldigen, wenn ich die Ringe

    Mir nicht getrau zu unterscheiden, die

    Der Vater in der Absicht machen ließ,

    Damit sie nicht zu unterscheiden wären.
    SALADIN.
    Die Ringe! - Spiele nicht mit mir! - Ich dächte,

    Daß die Religionen, die ich dir

    Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären.

    Bis auf die Kleidung, bis auf Speis’ und Trank!
    NATHAN.
    Und nur von seiten ihrer Gründe nicht. -

    Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte?

    Geschrieben oder überliefert! - Und

    Geschichte muß doch wohl allein auf Treu

    Und Glauben angenommen werden? - Nicht? -

    Nun, wessen Treu und Glauben zieht man denn

    Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen?

    Doch deren Blut wir sind? doch deren, die

    Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe

    Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo

    Getäuscht zu werden uns heilsamer war? -

    Wie kann ich meinen Vätern weniger

    Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. -

    Kann ich von dir verlangen, daß du deine

    Vorfahren Lügen strafst, um meinen nicht

    Zu widersprechen? Oder umgekehrt.

    Das nämliche gilt von den Christen. Nicht? -
    SALADIN.
    (Bei dem Lebendigen! Der Mann hat recht.

    Ich muß verstummen.)
    NATHAN.
    Laß auf unsre Ring’

    Uns wieder kommen. Wie gesagt: die Söhne

    Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter,

    Unmittelbar aus seines Vaters Hand

    Den Ring zu haben. - Wie auch wahr! - Nachdem

    Er von ihm lange das Versprechen schon

    Gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu

    56

    Genießen. - Wie nicht minder wahr! - Der Vater,
    Beteurte
    jeder, könne gegen ihn

    Nicht falsch gewesen sein; und eh’ er dieses

    Von ihm, von einem solchen lieben Vater,

    Argwohnen lass’: eh’ müss’ er seine Brüder,

    So gern er sonst von ihnen nur das Beste

    Bereit zu glauben sei, des falschen Spiels

    Bezeihen; und er wolle die Verräter

    Schon auszufinden wissen; sich schon rächen.
    SALADIN.
    Und nun, der Richter? - Mich verlangt zu hören,

    Was du den Richter sagen lässest. Sprich!
    NATHAN.
    Der Richter sprach: Wenn ihr mir nun den Vater

    Nicht bald zur Stelle schafft, so weis ich euch

    Von meinem Stuhle. Denkt ihr, daß ich Rätsel

    Zu lösen da bin? Oder harret ihr,

    Bis daß der rechte Ring den Mund eröffne? -

    Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring

    Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen;

    Vor Gott und Menschen angenehm. Das muß

    Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden

    Doch das nicht können! - Nun; wen lieben zwei

    Von Euch am meisten? - Macht, sagt an! Ihr schweigt?

    Die Ringe wirken nur zurück? und nicht

    Nach außen? Jeder liebt sich selber nur

    Am meisten? - Oh, so seid ihr alle drei

    Betrogene Betrüger! Eure Ringe

    Sind alle drei nicht echt. Der echte Ring

    Vermutlich ging verloren. Den Verlust

    Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater

    Die drei für einen machen.
    SALADIN.

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