Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
Vom Netzwerk:
am meisten eingeleuchtet?
    NATHAN. Sultan,

    Ich bin ein Jud’.
    SALADIN.
    Und ich ein Muselmann.

    Der Christ ist zwischen uns. - Von diesen drei

    Religionen kann doch eine nur

    Die wahre sein. - Ein Mann, wie du, bleibt da

    Nicht stehen, wo der Zufall der Geburt

    Ihn hingeworfen: oder wenn er bleibt,

    Bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Bessern.

    Wohlan! so teile deine Einsicht mir

    Dann mit. Laß mich die Gründe hören, denen

    Ich selber nachzugrübeln, nicht die Zeit

    Gehabt. Laß mich die Wahl, die diese Gründe

    Bestimmt, - versteht sich, im Vertrauen - wissen,

    Damit ich sie zu meiner mache. Wie?

    Du stutzest? wägst mich mit dem Auge? - Kann

    Wohl sein, daß ich der erste Sultan bin,

    Der eine solche Grille hat; die mich

    Doch eines Sultans eben nicht so ganz

    Unwürdig dünkt. - Nicht wahr? - So rede doch!

    Sprich! - Oder willst du einen Augenblick,

    Dich zu bedenken? Gut, ich geb ihn dir. -

    (Ob sie wohl horcht? Ich will sie doch belauschen;

    Will hören, ob ich’s recht gemacht. -) Denk nach.

    Geschwind denk nach! Ich säume nicht, zurück-

    Zukommen. (Er geht in das Nebenzimmer, nach wel-

    chem sich Sittah begeben.)

    SECHSTER
    AUFTRITT

    Nathan
    allein.

    NATHAN.
    Hm! hm! - wunderlich! - Wie ist

    Mir denn? - Was will der Sultan? was? - Ich bin

    Auf Geld gefaßt; und er will - Wahrheit. Wahrheit!

    Und will sie so, - so bar, so blank, - als ob

    Die Wahrheit Münze wäre! - Ja, wenn noch

    Uralte Münze, die gewogen ward! -

    Das ginge noch! Allein so neue Münze,

    Die nur der Stempel macht, die man aufs Brett

    Nur zählen darf, das ist sie doch nun nicht!

    Wie Geld in Sack, so striche man in Kopf

    53

    Auch Wahrheit ein? Wer ist denn hier der Jude?

    Ich oder er? - Doch wie? Sollt’ er auch wohl

    Die Wahrheit nicht in Wahrheit fodern? - Zwar,

    Zwar der Verdacht, daß er die Wahrheit nur

    Als Falle brauche, wär’ auch gar zu klein! -

    Zu klein? - Was ist für einen Großen denn

    Zu klein? - Gewiß, gewiß: er stürzte mit

    Der Türe so ins Haus! Man pocht doch, hört

    Doch erst, wenn man als Freund sich naht. - Ich muß

    Behutsam gehn! - Und wie? wie das? - So ganz

    Stockjude sein zu wollen, geht schon nicht. -

    Und ganz und gar nicht Jude, geht noch minder.

    Denn, wenn kein Jude, dürft’ er mich nur fragen,

    Warum kein Muselmann? - Das war’s! Das kann

    Mich retten! - Nicht die Kinder bloß, speist man

    Mit Märchen ab. - Er kömmt. Er komme nur!

    SIEBENTER
    AUFTRITT

    Saladin
    und
    Nathan.

    SALADIN.
    (So ist das Feld hier rein!) - Ich komm dir doch

    Nicht zu geschwind zurück? Du bist zu Rande

    Mit deiner Überlegung. - Nun so rede!

    Es hört uns keine Seele.
    NATHAN. Möcht’
    auch
    doch

    Die ganze Welt uns hören.
    SALADIN. So
    gewiß
    Ist
    Nathan
    seiner
    Sache? Ha! das nenn

    Ich einen Weisen! Nie die Wahrheit zu

    Verhehlen! für sie alles auf das Spiel

    Zu setzen! Leib und Leben! Gut und Blut!
    NATHAN.
    Ja! ja! wann’s nötig ist und nutzt.
    SALADIN. Von
    nun

    An darf ich hoffen, einen meiner Titel,

    Verbesserer der Welt und des Gesetzes,

    Mit Recht zu führen.
    NATHAN.
    Traun, ein schöner Titel!

    Doch, Sultan, eh’ ich mich dir ganz vertraue,

    Erlaubst du wohl, dir ein Geschichtchen zu
    Erzählen?
    SALADIN.
    Warum das nicht? Ich bin stets

Ein Freund gewesen von Geschichtchen, gut
    Erzählt.
    NATHAN.
    Ja, gut erzählen, das ist nun

    Wohl eben meine Sache nicht.
    SALADIN. Schon
    wieder

    So stolz bescheiden? - Mach! erzähl, erzähle!

    54
    NATHAN.
    Vor grauen Jahren lebt’ ein Mann in Osten,

    Der einen Ring von unschätzbarem Wert

    Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein

    Opal, der hundert schöne Farben spielte,

    Und hatte die geheime Kraft, vor Gott

    Und Menschen angenehm zu machen, wer

    In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder,

    Daß ihn der Mann in Osten darum nie

    Vom Finger ließ; und die Verfügung traf,

    Auf ewig ihn bei seinem Hause zu

    Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring

    Von seinen Söhnen dem geliebtesten;

    Und setzte fest, daß dieser wiederum

    Den Ring von seinen Söhnen dem vermache,

    Der ihm der liebste sei; und stets der liebste,

    Ohn’ Ansehn der Geburt, in Kraft allein

    Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. -

    Versteh mich, Sultan.
    SALADIN.
    Ich versteh dich. Weiter!
    NATHAN.
    So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn,

    Auf einen Vater endlich von drei Söhnen;

    Die alle drei ihm gleich gehorsam waren,

    Die alle drei er folglich gleich zu lieben

    Sich nicht

Weitere Kostenlose Bücher