Nathan der Weise
Jude,
Als Mensch? Ah! wenn ich einen mehr in Euch
Gefunden hätte, dem es g’nügt, ein Mensch
Zu heißen!
TEMPELHERR . Ja, bei Gott, das habt Ihr, Nathan!
Das habt Ihr! – Eure Hand! – Ich schäme mich
Euch einen Augenblick verkannt zu haben.
NATHAN . Und ich bin stolz darauf. Nur das Gemeine
Verkennt man selten.
TEMPELHERR . Und das Seltene
Vergisst man schwerlich. – Nathan, ja;
Wir müssen, müssen Freunde werden.
NATHAN . Sind
1320
Es schon. – Wie wird sich meine Recha freuen! –
Und ah! welch eine heitre Ferne schließt
Sich meinen Blicken auf! – Kennt sie nur erst!
TEMPELHERR . Ich brenne vor Verlangen – Wer stürzt dort
Aus Euerm Hause? Ist’s nicht ihre Daja?
NATHAN . Jawohl. So ängstlich?
TEMPELHERR . Unsrer Recha ist
Doch nichts begegnet?
Sechster Auftritt
Die
VORIGEN
und
DAJA
eilig
.
DAJA . Nathan! Nathan!
NATHAN . Nun?
DAJA . Verzeihet, edler Ritter, dass ich Euch
Muss unterbrechen.
NATHAN . Nun, was ist’s?
TEMPELHERR . Was ist’s?
DAJA . Der Sultan hat geschickt. Der Sultan will
Euch sprechen. Gott, der Sultan!
1330
NATHAN . Mich? der Sultan?
Er wird begierig sein, zu sehen, was
Ich Neues mitgebracht. Sag nur, es sei
Noch wenig oder gar nichts ausgepackt.
DAJA . Nein, nein; er will nichts sehen; will Euch sprechen,
Euch in Person, und bald; sobald Ihr könnt.
NATHAN . Ich werde kommen. – Geh nur wieder, geh!
DAJA . Nehmt ja nicht übel auf, gestrenger Ritter. –
Gott, wir sind so bekümmert, was der Sultan
Doch will.
NATHAN . Das wird sich zeigen. Geh nur, geh!
Siebenter Auftritt
NATHAN
und der
TEMPELHERR .
TEMPELHERR .
1340
So kennt Ihr ihn noch nicht? – ich meine, von
Person.
NATHAN . Den Saladin? Noch nicht. Ich habe
Ihn nicht vermieden, nicht gesucht zu kennen.
Der allgemeine Ruf sprach viel zu gut
Von ihm, dass ich nicht lieber glauben wollte,
Als sehn. Doch nun, – wenn anders dem so ist, –
Hat er durch Sparung Eures Lebens …
TEMPELHERR . Ja;
Dem allerdings ist so. Das Leben, das
Ich leb, ist sein Geschenk.
NATHAN . Durch das er mir
Ein doppelt, dreifach Leben schenkte. Dies
1350
Hat alles zwischen uns verändert; hat
Mit eins ein Seil mir umgeworfen, das
Mich seinem Dienst auf ewig fesselt. Kaum,
Und kaum, kann ich es nun erwarten, was
Er mir zuerst befehlen wird. Ich bin
Bereit zu allem; bin bereit ihm zu
Gestehn, dass ich es Euertwegen bin.
TEMPELHERR .
Noch hab ich selber ihm nicht danken können:
Sooft ich auch ihm in den Weg getreten.
Der Eindruck, den ich auf ihn machte, kam
1360
So schnell, als schnell er wiederum verschwunden.
Wer weiß, ob er sich meiner gar erinnert.
Und dennoch muss er, einmal wenigstens,
Sich meiner noch erinnern, um mein Schicksal
Ganz zu entscheiden. Nicht genug, dass ich
Auf sein Geheiß noch bin,
mit
seinem Willen
Noch leb: ich muss nun auch von ihm erwarten,
Nach
wessen Willen ich zu leben habe.
NATHAN . Nicht anders; umso mehr will ich nicht säumen. –
Es fällt vielleicht ein Wort, das mir, auf Euch
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Zu kommen, Anlass gibt. – Erlaubt, verzeiht –
Ich eile – Wenn, wenn aber sehn wir Euch
Bei uns?
TEMPELHERR . Sobald ich darf.
NATHAN . Sobald Ihr wollt.
TEMPELHERR . Noch heut.
NATHAN . Und Euer Name? – muss ich bitten.
TEMPELHERR .
Mein Name war – ist Curd von Stauffen. – Curd!
NATHAN . Von Stauffen? – Stauffen? – Stauffen?
TEMPELHERR . Warum fällt
Euch das so auf?
NATHAN . Von Stauffen? – Des Geschlechts
Sind wohl schon mehrere
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