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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
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seinen Reichtum nützen?
    TEMPELHERR .
    Nun gut, das will ich auch nicht ganz verreden;
    Um meines Mantels willen nicht. Sobald
    Der ganz und gar verschlissen; weder Stich
    Noch Fetze länger halten will: komm ich
    Und borge mir bei Euch zu einem neuen,
    1240
    Tuch oder Geld. – Seht nicht mit eins so finster!
    Noch seid Ihr sicher; noch ist’s nicht so weit
    Mit ihm. Ihr seht; er ist so ziemlich noch
    Im Stande. Nur der eine Zipfel da
    Hat einen garst’gen Fleck; er ist versengt.
    Und das bekam er, als ich Eure Tochter
    Durchs Feuer trug.
    NATHAN
(der nach dem Zipfel greift und ihn betrachtet)
.
                                       Es ist doch sonderbar,
    Dass so ein böser Fleck, dass so ein Brandmal
    Dem Mann ein bessres Zeugnis redet, als
    Sein eigner Mund. Ich möcht ihn küssen gleich –
    1250
    Den Flecken! – Ah, verzeiht! – Ich tat es ungern.
    TEMPELHERR . Was?
    NATHAN .                   Eine Träne fiel darauf.
    TEMPELHERR .                                                    Tut nichts!
    Er hat der Tropfen mehr. – (Bald aber fängt
    Mich dieser Jud’ an zu verwirren.)
    NATHAN .                                                     Wärt
    Ihr wohl so gut, und schicktet Euern Mantel
    Auch einmal meinem Mädchen?
    TEMPELHERR .                                        Was damit?
    NATHAN . Auch ihren Mund auf diesen Fleck zu drücken.
    Denn Eure Kniee selber zu umfassen,
    Wünscht sie nun wohl vergebens.
    TEMPELHERR .                                        Aber, Jude –
    Ihr heißet Nathan? – Aber, Nathan – Ihr
    1260
    Setzt Eure Worte sehr – sehr gut – sehr spitz –
    Ich bin betreten – Allerdings – ich hätte …
    NATHAN . Stellt und verstellt Euch, wie Ihr wollt. Ich find
    Auch hier Euch aus. Ihr wart zu gut, zu bieder,
    Um höflicher zu sein. – Das Mädchen, ganz
    Gefühl; der weibliche Gesandte, ganz
    Dienstfertigkeit; der Vater weit entfernt –
    Ihr trugt für ihren guten Namen Sorge;
    Floht ihre Prüfung; floht, um nicht zu siegen.
    Auch dafür dank ich Euch –
    TEMPELHERR .                                Ich muss gestehn,
    1270
    Ihr wisst, wie Tempelherren denken sollten.
    NATHAN . Nur Tempelherren?
sollten
bloß? und bloß
    Weil es die Ordensregeln so gebieten?
    Ich weiß, wie gute Menschen denken; weiß,
    Dass alle Länder gute Menschen tragen.
    TEMPELHERR . Mit Unterschied, doch hoffentlich?
    NATHAN .                                                                        Jawohl;
    An Farb’, an Kleidung, an Gestalt verschieden.
    TEMPELHERR . Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort.
    NATHAN . Mit diesem Unterschied ist’s nicht weit her.
    Der große Mann braucht überall viel Boden;
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    Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerschlagen
    Sich nur die Äste. Mittelgut, wie wir,
    Find’t sich hingegen überall in Menge.
    Nur muss der eine nicht den andern mäkeln .
    Nur muss der Knorr den Knuppen hübsch vertragen.
    Nur muss ein Gipfelchen sich nicht vermessen,
    Dass es allein der Erde nicht entschossen.
    TEMPELHERR .
    Sehr wohl gesagt! – Doch kennt Ihr auch das Volk,
    Das diese Menschenmäkelei zuerst
    Getrieben? Wisst Ihr, Nathan, welches Volk
    1290
    Zuerst das auserwählte Volk sich nannte?
    Wie? wenn ich dieses Volk nun, zwar nicht hasste,
    Doch wegen seines Stolzes zu verachten,
    Mich nicht entbrechen könnte? Seines Stolzes;
    Den es auf Christ und Muselmann vererbte,
    Nur sein Gott sei der rechte Gott! – Ihr stutzt,
    Dass ich, ein Christ, ein Tempelherr, so rede?
    Wenn hat, und wo die fromme Raserei,
    Den bessern Gott zu haben, diesen bessern
    Der ganzen Welt als Besten aufzudringen,
    1300
    In ihrer schwärzesten Gestalt sich mehr
    Gezeigt, als hier, als itzt? Wem hier, wem itzt
    Die Schuppen nicht vom Auge fallen … Doch
    Sei blind, wer will! – Vergesst, was ich gesagt;
    Und lasst mich!
(Will gehen.)
    NATHAN .                  Ha! Ihr wisst nicht, wie viel fester
    Ich nun mich an Euch drängen werde. – Kommt,
    Wir müssen, müssen Freunde sein! – Verachtet
    Mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beide
    Uns unser Volk nicht auserlesen. Sind
    Wir unser Volk? Was heißt denn Volk?
    1310
    Sind Christ und Jude eher Christ und

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