Nathan King - der Rinderbaron
Verkauf abtransportiert wurden. Die eigene Nachzucht machte diese Zahl allerdings mehr als wett. In verschiedenen Teilen der Farm wurden Brahmans und English Shorthorns gezüchtet, aber diese hier, deren Auftrieb Miranda jetzt beobachtete, waren Africander, die auch in den trockensten Gegenden überleben konnten.
Es war ein unvergesslicher Anblick, wie diese schönen rotbraunen Rinder in Scharen über die endlose hellgelbe Grasebene jagten. So ein Auftrieb hatte etwas Wildes, Ursprüngliches an sich … jenen Hauch von Gefahr, wenn der Mensch sich mit der Natur, hier in Gestalt dieser unberechenbaren Rinder, misst, die es die meiste Zeit des Jahres gewohnt waren, ihrem eigenen Willen zu folgen. Aber dem Ganzen haftete auch eine wunderbare Choreografie an, wie Männer und Maschinen am Boden und in der Luft zusammenarbeiteten und allmählich, durch lange Erfahrung geschult, die Oberhand über das scheinbar Unbezähmbare gewannen.
Das ist Nathans Leben, überlegte Miranda, tief beeindruckt. Und während sie gebannt beobachtete, begriff sie auch, dass im Herzen dieses Lebens dieses karge, weite Land stand, das jedem, der darauf überleben wollte, eine gründliche Kenntnis seiner einzigartigen natürlichen Harmonie abverlangte.
Das Mittagessen nahmen sie am Flussufer ein. Nathan pflegte offenbar einen lockeren, entspannten Umgang mit seinen Viehhütern und war in ihrer Gesellschaft gern gesehen. Und auch Miranda wurde ohne großes Getue akzeptiert. Über einem Lagerfeuer wurde ein Topf mit Wasser für den Tee aufgesetzt. Dann suchte man sich einen Platz im Schatten der Bäume, aß Fladenbrot und kalten Braten und fachsimpelte über den bisherigen Verlauf des Auftriebs. Miranda saß nur schweigend dabei und ließ die neuen Eindrücke auf sich wirken.
Hier auf dem Boden hörte sie das Donnern der Hufe und das Muhen der Rinder. Sie roch und schmeckte den Staub der Herden. Irgendwie kam ihr das Leben hier viel greifbarer vor … eine seltsam berauschende Erfahrung.
Die Mittagshitze brachte die Luft zum Flimmern, und als Nathan aufstand und damit das Ende der Mittagspause signalisierte, umgab ihn eine flirrende Aura, die seine Gestalt noch eindrucksvoller wirken ließ. Er wandte sich Miranda zu und sah sie so eindringlich an, als wollte er kraft seines Willens ein Band mit ihr knüpfen, das über das rein Physische hinausreichte.
Sein Reich hier im Outback war ebenso karg wie schön, und Miranda spürte, dass er sie mit diesem Blick fragte, ob sie ein Teil davon sein könnte, ob sie dieses Land akzeptieren und damit leben könnte, wie er es tat. Sie begriff in diesem Moment, dass es für sie und Nathan keine gemeinsame Zukunft geben könnte, wenn sie diese Frage nicht aus ganzem Herzen bejahen konnte. Es war unmöglich, eine Ehe nur auf sexueller Anziehung aufzubauen – falls Nathan wirklich ernsthaft an eine Heirat mit ihr dachte. Dieses Land hier nahm den ersten Platz in Nathans Leben ein, und wenn sie dies nicht mit ihm teilen konnte, hatte sie nicht verstanden, was ihn zu dem Mann machte, der er war.
“Zeit, wieder aufzubrechen”, sagte er nur und hielt ihr eine Hand hin, um ihr auf die Füße zu helfen.
Er fragte sie nicht, ob sie müde sei und vielleicht lieber in dem Camp am Flussufer bleiben wollte. Indem sie seine Hand nahm, bewies sie ihre Bereitschaft, da zu sein, wo er war, seine Art zu leben aus erster Hand zu beobachten, um dann zu beurteilen, ob sie hineinpasste. Miranda begriff dies intuitiv, aber vor allem spürte sie die Kraft und Wärme, die von seiner Hand ausging und ihr ein erregendes Gefühl der Verbundenheit vermittelte.
Hand in Hand gingen sie zum Hubschrauber zurück, und Miranda hatte das Gefühl, wie auf Wolken zu schweben. Seit gestern Abend war Nathan ihr freundlich, aber betont sachlich begegnet, was sie sehr verunsichert hatte. Es war fast so, als würde er die Leidenschaft, die sie miteinander geteilt hatten, verleugnen, und sie war sich nicht sicher gewesen, ob er ihr dadurch nur die Gewissheit geben wollte, an diesem Wochenende keinerlei sexuellen Druck auf sie auszuüben, oder ob er jede weitere Entscheidung davon abhängig machen wollte, ob er für ihre Beziehung überhaupt eine Zukunft sah.
Nathan King würde ihr keine falschen Versprechungen machen, daran zweifelte Miranda nicht. Aber seine Hand sagte ihr, dass er sie wollte – daran hatte sich nichts geändert. Miranda konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Daumen zart über seinen Handrücken gleiten zu
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