Nathan King - der Rinderbaron
war. Dennoch, wenn mit Schmutz geworfen wurde, blieb meist auch etwas davon hängen, und Bobby hatte heute Abend zweifellos alles getan, um ihrem Ruf zu schaden.
Deshalb hielt Miranda bewusst Abstand, als Nathan sie ins Haus führte. Schweigend geleitete er sie durch die Eingangshalle und einen Flur entlang. Er öffnete die Tür zur Gästesuite, knipste das Licht an und bedeutete Miranda einzutreten.
Es war ein gemütliches, freundliches Zimmer mit einem alten Messingbett, das eine schöne Patchworkdecke zierte, und Kommoden und Schränken aus poliertem Zedernholz. Nathan, der Miranda ins Zimmer gefolgt war, stellte ihre Reisetasche ans Fußende des Bettes und ging zu dem Radiowecker auf dem Nachttisch.
“Genügt es, wenn ich ihn auf halb sechs stelle?”
“Ja, danke.”
Er stellte den Wecker und deutete auf die Tür zwischen den beiden Schränken. “Dort ist das Bad. Soll ich dir noch einen Schlummertrunk bringen?”
“Nein, ich will nur noch ins Bett. Vielen Dank, dass du dich so lieb um mich gekümmert hast, Nathan. Es tut mir leid, dass ich dir all die Mühe bereitet habe …”
“Das ist nicht deine Schuld”, unterbrach er sie. “Vergiss Hewson, Miranda. Du wirst ihn nicht mehr wiedersehen, das verspreche ich dir.”
Sie sah, wie er in großem Bogen um sie herumging, um zur Tür zu gelangen, und konnte plötzlich den Gedanken nicht ertragen, dass Bobby doch Zweifel hinsichtlich ihrer Integrität in ihm geweckt haben könnte. “Nathan …”
Er blieb stehen und drehte sich zögernd zu ihr um. Sein Blick war unergründlich.
Miranda sah ihn flehentlich an und nahm all ihren Mut zusammen. “Nathan, ich habe nie Sex dazu benutzt, um …”, sie verstummte und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, “… um mir Vorteile zu verschaffen.”
“Miranda, wenn das deine Art wäre, hättest du dir Tommy als das geeignete Ziel ausgesucht”, erwiderte er ruhig. “Mach dir keine Gedanken. Weder Tommy noch ich lassen uns in dem guten Eindruck beirren, den wir seit deiner Ankunft in ‘King’s Eden’ von dir gewonnen haben. Du hast dir unsere Unterstützung und unseren Schutz verdient. Also schlaf gut und in der Gewissheit, dass wir dich nie im Stich lassen werden.”
Sie nickte mit Tränen in den Augen. Nie zuvor hatte man ihr ein derartiges Maß an Unterstützung, Vertrauen und Loyalität zukommen lassen. Sie hatte fast das Gefühl, dazuzugehören … einer von ihnen zu sein.
Nathan kam noch einmal auf sie zu und streichelte ihr sacht die Wange. “Es muss hart gewesen sein, in derartiger Ungewissheit aufzuwachsen”, sagte er mitfühlend. “Umso mehr bewundere ich, was du aus dir gemacht hast, Miranda. Das beweist Mumm … einen starken Überlebenswillen. Lass dich von diesem schmierigen Kerl nicht unterkriegen, denn du bist tausendmal mehr wert als er. Er ist bloß Flitter, du bist echtes Gold.” Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie aufmunternd. “Morgen ist ein neuer Tag. Okay?”
“Ja”, flüsterte sie heiser.
Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. “Und wer weiß? Vielleicht versuchen wir es ja doch noch mit einer Heirat, he?”
Ehe sie etwas erwidern konnte, verließ er das Zimmer. Miranda hatte keine Ahnung, ob seine Worte ernst gemeint gewesen waren, aber allein die Möglichkeit ließ es ihr ganz leicht ums Herz werden. Sie berührte sanft die Stelle, wo er ihre Wange gestreichelt hatte, und glaubte immer noch, die Wärme seiner Hand zu spüren. Ein gutes Gefühl. Und morgen war ein neuer Tag.
11. KAPITEL
A m nächsten Tag fiel es Miranda nicht schwer, Bobby Hewson zu vergessen, denn Nathan entführte sie buchstäblich in eine ganz andere Welt. Von Nathans Hubschrauber aus bewunderte sie das unglaubliche Geschick der Piloten in den beiden kleinen Hubschraubern, die dicht über dem Boden waghalsig dahinkurvten und die weit verstreuten Rinder aus dem Busch und von den Wasserläufen aufscheuchten und mit dem ohrenbetäubenden Knattern der Rotoren zusammen- und auf ein Viehcamp zutrieben.
Auf dem Boden wurde die stetig wachsende Herde mithilfe von Zäunen von Koppel zu Koppel geschleust. Bis zum Mittag waren bereits mehrere hundert Rinder zusammengetrieben und auf halbem Weg zu den Viehhöfen, wo die entwöhnten Kälber gebranntmarkt und die Rinder für den Verkauf ausgesucht werden sollten.
Nathan hatte Miranda beim Frühstück erklärt, dass er auf seiner Farm ungefähr sechsunddreißigtausend Rinder hatte, von denen jedes Jahr sechstausend zum
Weitere Kostenlose Bücher