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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Gefühl von Halt und Sicherheit. Aber warum? Er versuchte, sie zu bevormunden. Er spielte mit ihr und stürzte sie in tiefe Konfusion. Und doch vermittelte er etwas, nachdem sie sich sehnte wie eine vertrocknende Pflanze nach Regen, unabgängig von der Tatsache, dass er ihr auf rein primitiver Ebene den Kopf verdrehte. Sie wollte mit ihm reden. Sie wollte bei ihm sein.
    „Tacincala“, murmelte Josephine jenen Namen, den er ihr gegeben hatte. Auch darin lag Trost. Josephine hatte sich nie für rührselig gehalten, doch jetzt benahm sie sich wie eine verletzliche Frau, der es nach nichts so sehr verlangte wie nach der sprichwörtlichen starken Schulter zum Anlehnen. Was war so falsch daran? Vielleicht war sie einfach verletzlich, und vielleicht waren die Bedürfnisse, die sie beutelten, nach Jahren der Trauer das Natürlichste der Welt.
    Müde legte sie sich auf die beiden Strohballen, die Nathaniel als Bett dienten, verschränkte die Arme unter dem Kopf und ließ sich vom Schnaufen der Pferde beruhigen. Noname hatte das Weite gesucht, wohl um am Waldrand Mäuse zu jagen. Sie sah, wie Max seinen Kopf neugierig aus der Box schob, doch ihr fehlte die Kraft, zu ihm zu gehen. Bleierne Erschöpfung lähmte ihren Körper.
    Als jener vertraute Sog einsetzte, der ihren Geist in die dunklen Tiefen zog, lieferte Josephine sich ihm willig aus. Sie driftete im seichten Oberflächenwasser des Schlafes dahin, als das Geräusch der Schiebetür erklang. Abrupt fuhr sie hoch. Es konnte nur Nathaniel sein, der von seinem nächtlichen Streifzug zurückgekehrt war. Sie sehnte sich mit einer Heftigkeit nach seiner Nähe, die die Grundfesten ihres Verstandes erschütterte. Doch plötzlich erkannte Josephine, dass dieser Schatten nicht Nathaniel sein konnte. Der Mann, der nach dem versteckten Lichtschalter griff, war ebenso groß wie er, doch deutlich fülliger. Noch ehe die Dunkelheit des Stalls vom Licht geflutet wurde, wusste Josephine, wer vor ihr stand. Gregory Hazlewood. Der Mensch, den sie wie keinen zweiten verabscheute. Der Schatten, der seit Jahren über ihrem Leben lag. Der Dorn in ihrem Fleisch.
    „Guten Abend, Mrs. Campbell.“ Hazlewood deutete eine Verbeugung an, die nur dazu diente, sie zu verhöhnen. Allein sein breiter Südstaatendialekt löste Rage in Josephine aus. „Tut mir leid, dass ich Sie so spät störe, aber ich hatte heute in der Nähe geschäftlich zu tun, und …“
    „Die nächste Stadt ist zwei Autostunden entfernt“, unterbrach sie ihn kühl.
    „Das stimmt. Ich hatte vor, eher hier zu sein, aber mein Wagen geriet in ein Schlammloch.“
    „Zu schade, dass es kein Sumpfloch war.“
    Hazlewood antwortete mit seinem typischen Die-Sturheit-wird-Ihnen-noch-vergehen-Blick. Er wischte sich einen imaginären Fussel von seinem Jackett und verpasste seinem weichen, teigigen Gesicht ein Lächeln. Es wirkte falsch. Es war das Lächeln eines Mannes, der es geschafft hatte, sein Maskenspiel zur Perfektion zu bringen. Hazlewoods Kleidung – ein brauner Tweedanzug im altmodischen, britischen Stil mit Cordaufnähern – war diesmal ungewohnt leger. Zumindest für die Verhältnisse dieses snobistischen Großstadtungeheuers.
    „Sind Sie extra von Great Falls hierhergekommen, um sich wieder einen Korb zu holen?“ Josephine schielte auf die Mistgabel, die neben dem Strohballenhaufen an der Wand hing. Es würde sich gut anfühlen, die Zinken mit einem ordentlichen Schwung in die Kehrseite dieses Menschen zu bohren.
    „Wie ich schon sagte,“ erwiderte Hazlewood gelangweilt. „Ich hatte geschäftlich zu tun. Also bot es sich an, noch einmal hier vorbeizuschauen und nach dem Rechten zu sehen. Wie läuft es denn so? Meine letzten Nachforschungen bei Ihrer Hausbank brachten deprimierende Ergebnisse. Ihre Ersparnisse sind so gut wie aufgebraucht.“
    „Das geht Sie einen feuchten Dreck an.“ Heiß strömte der Zorn durch ihre Adern. Josephine verfluchte die Tatsache, dass auch Subjekte wie dieses von den Gesetzen geschützt wurden. Niemand würde Milde walten lassen, wenn sie Hazlewood die Mistgabel in den Wanst rammte. „Sie haben nicht das Recht, in meinen Angelegenheiten herumzuschnüffeln. Tun Sie das noch einmal, hetze ich Ihnen einen Ihrer Artgenossen auf den Hals.“
    „Donnerwetter.“ Er weitete in gespieltem Schrecken die Augen. Das vergnügte Funkeln ließ Josephine mit einem Gesetzesbruch liebäugeln. „Dann sollten Sie wissen, dass ich der renommierteste Anwalt bin. Nicht nur in Great Falls. Einen

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