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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Er wedelte mit einem Arm, als wolle er ein Insekt verscheuchen. „Mrs. Campbell und ich stehen gerade in Verhandlungen, wie du siehst.“
    „So, wie ich das sehe, hat Mrs. Campbell ihren Standpunkt bereits dargelegt. Es gibt nichts mehr zu verhandeln.“
    „Was verstehst du schon davon? Bleib besser dabei, rohe Büffelleber zu essen.“
    „Makam naya, sica“, kam es leise zurück. „Tankala.“
    „Was?“
    „Wika sasni.“ Nathaniel legte die Hand auf seine Brust und hob seinen Mund zu einem wölfischen Lächeln. „Wika sasni, sica.“
    Hazlewood verlor die Contenance. Schweißtropfen traten auf seine Stirn. Er straffte sich, ballte die Fäuste und schob in einer Geste hilfloser Wut den Unterkiefer nach vorn. Plötzlich ging er auf Nathaniel los. Er deutete einen Magenschwinger an, verlagerte sein Gewicht im letzten Moment und holte zu einem gewaltigen Kinnhaken aus. Einen im Kampf unerfahrenen Gegner hätte dieser Schlag zweifellos überrascht und niedergestreckt, doch Nathaniel schien ihn vorausgesehen zu haben. Er wich der zustoßenden Faust um Haaresbreite aus und fing sie mit der rechten Hand auf. Ehe Hazlewood begriff, wie ihm geschah, kauerte er bereits stöhnend am Boden. Sein Arm wurde nach hinten gerissen, während Nathaniel den Zeigefinger auf eine Art verdrehte, die äußerst schmerzhaft sein musste. Es war ein Griff, der federleicht wirkte, doch seine Wirkung war verheerend. Totenblass hockte Hazlewood am Boden, das Gesicht erstarrt zu einer verzogenen Fratze des Leids und der Verblüffung.
    „Verschwinden Sie“, knurrte Nathaniel. „Verschwinden Sie auf Nimmerwiedersehen oder ich skalpiere Sie mit Vergnügen. Es gibt ungefähr zwei Dutzend Arten, jemandem die Kopfhaut zu rauben. Für Sie werde ich mir die Qualvollste und Langsamste aussuchen.“ Er beugte sich so dicht über Hazlewood, dass seine Lippen dessen Ohr berührten. „Und zwar die Streifen-für-Streifen-Methode.Dann schneide ich Ihnen die Fußsohlen ab, lasse Sie um das Feuer tanzen und esse zu guter Letzt Ihre Leber. Und zwar roh. Glauben Sie mir, in diesem Ausnahmefall wird es mir Vergnügen bereiten, eure albernen Klischees zu bedienen.“
    „Ich verschwinde. Sie haben mein Wort.“
    Nathaniel löste seinen Griff und trat zurück. Bebend, seine Totenblässe gegen tiefe Röte austauschend, stand Hazlewood auf, streckte die Arme aus und kämpfte um sein Gleichgewicht. Das zuvor akkurat gekämmte, schlammfarbene Haar klebte ihm feucht am Kopf. Einen Moment sah es so aus, als wolle er tatsächlich kapitulieren. Schwankend wich er einen Schritt zurück, dann einen zweiten. Sein Blick huschte gehetzt von links nach rechts.
    „Verschwinden Sie“, wiederholte Nathaniel mit Nachdruck. „Mrs. Campbell hat heute das letzte Wort gesprochen. Und was mein letztes Wort ist, wissen Sie jetzt auch.“
    Hazlewood grunzte, nicht fähig, seine Niederlage einzusehen. Er ging einen Schritt, hielt inne – und stürzte sich unvermittelt auf den an der Wand lehnenden Köcher. Nathaniel war schnell, doch nicht schnell genug. Wäre die Bewegung des Mannes nur einen Hauch träger gewesen, so hätte er den Pfeil nicht herausziehen und gegen seinen Angreifer wenden können. Doch da seine Bewegung die zuvor zur Schau getragene Betäubung Lügen strafte, gelang es ihm, die Spitze des Pfeils zwischen Nathaniels Rippen zu jagen. Josephine glaubte zumindest, das feuchte Geräusch reißenden Fleisches zu spüren, doch sehen konnte sie nur seinen Rücken. Entsetzen schoss in ihre Knie. Die Beine schienen unter ihr zu zerschmelzen. Sie musste ihm helfen. Sie musste etwas tun, doch was konnte sie gegen Hazlewood ausrichten? Darüber nachzudenken war überflüssig. Josephine wollte herumfahren und nach der Mistgabel greifen, doch plötzlich warf Nathaniel seinen Gegner gegen die Wand und packte dessen Handgelenk. Blut glänzte auf der Spitze des Pfeils, den Hazlewood noch immer umklammert hielt. Nass und rot im fahlen Licht.
    Nathaniel drückte zu – und der Mann schrie. Vielmehr wollte er schreien, doch der Laut unerträglichen Schmerzes erstickte, kaum dass er sich seinen Weg aus der Kehle gebahnt hatte. Klappernd fiel der Pfeil zu Boden. Nathaniels Finger schlossen sich noch fester um das Handgelenk. Hazlewoods Körper zuckte. Er verkrampfte und wand sich wie im Todeskampf. Jetzt, da Nathaniel sich ein Stück in ihre Richtung drehte, sah Josephine sein Gesicht im Schein der Stalllampe. Es war erfüllt von blindwütigem Zorn.
    „Nat“, keuchte Josephine.

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