Nathaniels Seele
die Wand und schnürte ihr die Luft ab, bis ihreLungen brannten und Panik in ihr aufstieg. Mein Gott, sie wollte nicht sterben!
„Bitte.“ brachte sie mit letzter Kraft hervor. „Bitte nicht.“
„Niemand führt mich an der Nase herum.“ spie Hazlewood ihr entgegen und lockerte den Griff um ihre Kehle gerade so weit, dass sie Luft in ihre Lungen saugen konnte. „Niemand. Das Maß ist voll. Sie haben es übertrieben. Ich will dieses Land, und ich bekomme es. Sie haben die Wahl. Unterschreiben Sie und wählen die sanfte Methode, oder ihr toter Körper landet irgendwo dort draußen im Wald. Liegen Sie bitte nicht dem Trugschluss auf, ich würde es nicht übers Herz bringen, eine Frau um die Ecke zu bringen. Für mich besteht keinerlei Risiko. Es gibt eine Menge Leute, die mir ein perfektes Alibi verschaffen würden. Reichtum bringt Vorteile mit sich. Über dem Gesetz zu stehen, ist einer davon.“
Er grunzte zufrieden, als Josephine unter seinem Griff erschlaffte. Verzweiflung schlug über ihr zusammen wie eine Welle. Wieder drückten seine Hände ihr die Luft ab und bewiesen ihr, dass sie ihm nichts entgegenzusetzen hatte. Darum ging es in dieser Welt. Einige wenige Mächtige unterdrückten, erniedrigten und beuteten aus. Vollkommen ungestraft. Die Farm zu verlieren, würde ihr das Herz brechen, doch was hatte sie für eine Wahl? Drüben in Oregon gab es noch eine andere Heimat für sie. Sie würde zurückkehren und versuchen, zu vergessen. Die Farm zu vergessen, Nathaniel zu vergessen.
„Sind wir uns einig?“, raunte Hazlewood und ließ von ihr ab.
„Ja“, brachte Josephine hervor. „Ich unterschreibe. Geben Sie mir den verdammten Vertrag.“
„Wie schön, dass ich einen Funken Vernunft in Ihnen wecken konnte.“
Hazlewood zog das zusammengefaltete Papier aus seiner Innentasche, als plötzlich das Geräusch der zugeschobenen Stalltür die unheilschwangere Stille zerschnitt. Josephine rang nach Atem. Nathaniel. Er war zurückgekommen.
„Großer Gott.“ Ihr Peiniger fuhr herum, sagte eine Weile nichts und stieß schließlich einen verblüfften Grunzer aus. „Findet hier ein Kostümfest statt, von dem ich nichts weiß?“
Josephine starrte Nathaniel nicht minder fassungslos an. Sein Haar fiel offen und wirr herab, hinter den Strähnen glitzerten angriffslustig zwei kohlschwarze Augen. Er trug seine Jagdtasche, den Bogen und den Köcher. Seine Kleidung bestand aus dünnem Wildleder. Das Hemd war an der Schulternaht der Ärmel und am unteren Saum mit Fransen versehen und bis auf ein schlichtes Dreiecksmuster aus Hirschgrannen in Brusthöhe völlig schmucklos. Sie sah klassische Beinlinge, einen schlichten Lendenschurz und flache, bestickte Mokassins. Auf seiner Brust schimmerten die Knochenstückchen und Federn des Talismans. Allein seine Erscheinung hätte genügt, für die Dauer einiger entrückter Momente das Atmen zu vergessen. Doch das Erstaunlichste an ihm war nicht das Äußere, sondern etwas weitaus Subtileres. Etwas, auf dessen Signale nur das Unterbewusstsein und jene Instinkte reagierten, die vergessen, aber niemals verschwunden waren. Nathaniels unberechenbare Ruhe und dieses hauchfeine Lächeln, seine Lippen kalt umspielend, jagten Schauder über ihre Wirbelsäule. Unter dem dünnen Leder seines Hemdes sah Josephine das Spiel sich anspannender Muskeln.
Hazlewood, plötzlich seiner Selbstsicherheit beraubt, räusperte sich.
„Wolltest du zum Pow Wow und hast dich verlaufen? Sprichst du Englisch?“
Nathaniels Augen verengten sich. Mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze, die sich ihrer Überlegenheit vollkommen sicher ist, legte er die Tasche ab, stellte Bogen und Köcher an die Wand und richtete sich zu voller Größe auf. Etwas schien die Luft zusammenzuziehen, brachte sie zum Knistern und tanzte wie ein feines Energiefeld über Josephines Haut. Angst sackte in ihre Eingeweide. Hazlewood, der vollen Wucht von Nathaniels scharfem Blick ausgeliefert, gefror zur Salzsäule. Und doch hielt er an seiner Masche kläglicher Abfälligkeit fest.
„Du verstehen mich?“, fragte er. „Du sprechen Englisch?“
„Sicher“, gab Nathaniel zurück. „Soll ich es dir beibringen?
Hazlewood gab ein Knurren von sich, das womöglich einschüchternd wirken sollte, doch das Zittern seiner Stimme offenbarte nur das Ausmaß seiner Unsicherheit. Hatte er irgendeine Waffe dabei? Einen Revolver unter seinem Jackett? Ein Messer?
„Mach besser, dass du weiterkommst, Häuptling Strampelnder Vogel.“
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