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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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kroch über ihre Haut und weckte den Wunsch, er möge sie niemals wieder loslassen. „Was ist das? Wie machst du das?“
    „Reine mentale Kraft.“ Er zuckte die Schultern, als hätte er ihr soeben erklärt, auf welche Art er Kaffee kochte. „Keine Magie, sondern Natur.“
    Josephine schwindelte. Sie wollte sich an seinen Körper schmiegen, seine Kraft spüren, um sich zu vergewissern, dass sie in Sicherheit war. Mochte er sie für hilflos halten, die uralte Sehnsucht nach Schutz war stärker.
    „Warum bist du so angezogen?“, fragte sie.
    „Ich flüchte mich gern in vergangene Zeiten. Das ist der einzige Grund.“
    „Ist es alt?“ Sie strich über das Leder des Hemdes, das sich um seine Brust spannte. Es fühlte sich gut an. Warm und samtweich. Ihre andere Hand befreite sich aus seinem Griff, legte sich auf Nathaniels Taille und wanderte Millimeter für Millimeter tiefer. Er hätte sie beiseite drücken oder zurückhalten können, doch er tat es nicht.
    „Ja. Ist es.“
    „Sehr alt?“
    „Ziemlich. Demnächst wird es mir wohl vom Körper bröseln.“
    Tränen der Erleichterung, der Erregung und der Hilflosigkeit brannten in ihren Augen. Ihre Finger glitten über das Band, das um seine Hüfte geschlungen war. Langsam bewegte sie sich auf die Stelle zu, an der sie die Wunde vermutete, doch Nathaniel durchschaute sie rechtzeitig. Zischend sog er den Atem zwischen den Zähnen ein, nahm ihre Hand und schob sie nach unten. Zugleich spannte sich sein Körper an. Es lag etwas Hingebungsvolles darin, als er seinen Kopf gegen die Wand lehnte und träge auf sie hinabblinzelte.
    Josephine wollte ihren angehaltenen Atem leise ausstoßen, doch es endete in einem verräterischen Seufzen. Den gewölbten Muskel seines Schenkels unter ihrer Handfläche zu spüren, zerrte am hauchdünnen Strang ihrer Beherrschung. Wieder biss sie sich auf die Zunge, diesmal so fest, dass sie das Aroma von Blut schmeckte. Würde sie gleich aufgeben? War es das, was sie wollte oder das, wovor sie sich fürchtete?
    Einfach alles fallen zu lassen. Hier und jetzt. Vielleicht würde es nicht gut enden. Ihre Welt und seine waren zu verschieden. Oder nur getrennt von Illusionen? Was sprach dagegen, es herauszufinden?
    „Seine Haut war verbrannt“, raunte sie. „Ich habe es gesehen.“
    „Ich weiß nicht, was du meinst. Das musst du dir eingebildet haben.“
    Nathaniel beugte sich vor. Kaum mehr als eine Feder hätte zwischen ihre Lippen gepasst. Sie erinnerte sich an den Nachhall des ersten Kusses. An die Sehnsucht, die in ihrem Inneren aufgeklafft war, und den undefinierbaren Schmerz, von dem sie nicht wusste, ob er wunderbar oder qualvoll war.
    Josephine atmete ein, als Nathaniel ausatmete. Sein Aroma drang tief in ihre Wahrnehmung. „Ich habe es gesehen. In deinem Hemd ist ein Loch. Er hat dich getroffen. Und du hast ihn verbrannt.“
    „Da ist nichts. Siehst du?“ Er nahm ihre Hand und legte sie auf seine Seite. Nichts als glatte Haut war zu spüren. Keine Verletzung, kein Loch, kein Schnitt. Nur die Erhebung seines Rippenbogens
    „Ich …“ Josephine wollte irgendetwas sagen. Einen Weg aus ihrem Chaos finden, doch sie musste kapitulieren. „Was hast du zu ihm gesagt?“
    „Dass er stinkt wie ein Skunk.“ Nathaniels Daumen legte sich auf ihre Lippen. Unter dem zarten Druck schloss sie genüsslich die Augen. „Und dass ich ihn für ein niederträchtiges Großmaul halte.“
    Sie öffnete den Mund, ließ seinen Finger hineingleiten und umschloss ihn sanft. Das Seufzen, das ihm unmittelbar entfloh, sprach von Hunger. Von großem Hunger.
    „Und was noch?“, wisperte sie, als er seinen Daumen erschreckt zurückzog. „Du hast noch etwas zu ihm gesagt.“
    „Das ist schwer zu übersetzen.“ Nathaniels Blick wich ihrem aus. Seine Hände ruhten auf ihrer Taille und zitterten. Josephine wusste, dass sie ihn in ihrer Gewalt hatte. Hier und jetzt war er hilflos, ihrem Willen unterworfen.
    „Es war eine Art Herausforderung“, brachte er schließlich hervor. „Eine Redensart dafür, dass ich mich für überlegen halte.“
    Sein Atem kroch über ihre Lippen. Wie von selbst öffneten sie sich unter dieser warmen, nicht körperlichen Berührung. Josephine erkannte plötzlich etwas in Nathaniels Gesicht, dem sich ihr rationaler Verstand verweigerte. Es war, als blicke ihr eine uralte, machtvolle Präsenz hinter dem Spiegel seiner Augen entgegen. Es war nicht er selbst. Es war etwas, das sich in ihm bewegte,wie ein Geschöpf hinter einem halb

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