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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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schluchzte eine Stimme. „Oh Gott, Nat. Was ist hier los? Was war das?“
    Fassungslosigkeit schlug über ihm zusammen, als er Josephine erkannte. War sie echt? War sie tatsächlich hier? Wie viel hatte sie gesehen? Wut durchdrang Nathaniels Delirium, Hand in Hand mit Sorge und Verblüffung. Er bemühte sich um Worte, doch nur ein Keuchen kam über seine Lippen. Josephine wischte sich eine Träne von der Wange und packte ihn unter den Armen.Ein kurzer Ruck und sie hatte ihn in eine Position bugsiert, die man mit gutem Willen als Sitzen bezeichnen konnte. Nathaniel versuchte, sich abzustützen, doch sein Arm knickte kraftlos ein. Josephine umfing ihn mit aller Kraft und drückte ihr Gesicht an seine Halsbeuge.
    „Was ist passiert? Was hat sie dir angetan? Was war das? Bitte … klär mich auf. Erklär es mir so, dass ich es verstehe.“
    Er wollte sie trösten, ihr irgendetwas Hilfreiches sagen, doch Woksapas Zorn war größer. Er war hellrot und gleißend wie eine Feuersbrunst, zwang ihn, sich hochzustemmen, ließ ihn Josephine packen und gegen einen Baum werfen. Etwas, dessen Fremdartigkeit er niemals hatte begreifen können, trieb ihn vorwärts und schloss seine Hand um die Kehle der Frau. Woksapa schäumte vor Wut, dass sie ihm erneut heimlich gefolgt war und ihn in seinem schwächsten Moment gesehen hatte.
    „Überanstreng dich nicht“, spie Josephine ihm entgegen. „Willst du mich umbringen? Dann los, beeil dich. Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit.“
    Ihr Gesicht, durch den abgeschnürten Atem hochrot, zeigte keinerlei Angst. Nein, ihr Blick durchbohrte ihn. Herausfordernd, furchtlos.
    Nathaniel war nicht minder verblüfft wie der Geist in ihm. Beide traten irritiert den Rückzug an, lösten ihren Griff und musterten die Frau.
    „Habe ich dein Schema durchbrochen?“ Josephines Lippen pressten sich zu einem dünnen Strich zusammen.
    Das Stakkato ihres Pulsschlags dröhnte in seinen Ohren.
    „Was war das gerade? Erklär es mir. Werde ich verrückt? Habe ich mir nur eingebildet, dass ihre Hand … ihre Hand in deinen … verdammt, was bist du?“ Sie schloss die Augen und atmete zweimal tief durch. Dann legte sie eine Hand auf ihre Brust. „Ihre Finger waren hier drin. Als wäre sie mit dir verschmolzen. Und dann dieses Licht. Was war das? Ich will es wissen, sonst drehe ich noch durch.“
    Nathaniel starrte sie an. Schweigend, hilflos, in seinen Grundfesten erschüttert. Woksapas Wutausbruch war zu viel für seinen geschwächten Körper. Es gelang ihm noch, einen Schritt zurückzuweichen, dann spürte er einen dumpfen Aufprall. Dunkelheit hüllte ihn ein. Es war eine Dunkelheit, deren flüchtiger Schleier sich nur kurz über sein Bewusstsein legte. Da war kein abgrundtiefer Schlaf, wie er ihn sonst nach dem Ritual der Erneuerung erfüllte, sondern nur eine Kostprobe dessen, was er gebraucht hätte, bevor ein wilder Schmerz ihn zurück in die Wirklichkeit riss.

     
    Josephine saß neben ihm auf dem Bett und berührte mit einem Finger seine Brust. Brandmale, nässend und Blasen werfend, zeichneten sich ab. Auch wenn sie vorsichtig war, weckte diese Berührung Nathaniel.
    „Erklär es mir“, forderte sie, als sein Blick klarer wurde und er zu begreifen schien, wo er sich befand. „Ich will es verstehen. Entweder das, oder ich kann mich demnächst einliefern lassen. Vielleicht verkaufe ich dich auch ans FBI. Können die was mit dir anfangen?“
    „Wie viel hast du gesehen?“ Nathaniel stöhnte, als er versuchte, sich aufzurichten. Vorsichtig drückte sie ihn in das Kissen zurück, darauf achtend, nicht die verbrannten Stellen zu berühren. Wie zum Teufel konnte seine Haut nur derart heiß sein? Aber das war nur eines der Rätsel, die sie heute lösen würde.
    „Du bist in deinem Zimmer“, sagte Josephine. „Ich habe dich hierhergebracht. Und was ich gesehen habe? Nun, zu viel, würde ich sagen. Da war diese alte Frau. Du hast sie ein paar Mal getötet, aber jedes Mal stand sie wieder auf. Sie hat irgendetwas mit dir angestellt, das ich nicht begreife, und sie hat sich dadurch verjüngt. Dann, als du mich angegriffen hast – irgendetwas stimmte nicht. Du warst jemand anderes. Ich habe es gesehen. Das warst nicht du.“
    „Warum bist du mir gefolgt?“ Nathaniel schien es Mühe zu bereiten, seine Augen offen zu halten. Er redete so leise, dass sie sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen.
    „Ich wollte dir nicht folgen“, antwortete sie. „Irgendetwas zwang mich. Es brachte mich dazu, nach dir

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