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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Schilde? Was bedeutet das alles? Sag es mir, Weib.“
    Er wusste, dass sie in der Nähe war. Die Präsenz ihres Geistes verpestete seine Wahrnehmung mit giftigen Schlieren. Kochend vor Wut kniete er neben dem geschändeten Grab nieder und wartete. Auf Absá und ihren Gehilfen. Wartete darauf, sich an dem Gefühl flüchtiger, sinnloser und doch köstlicher Rache ergötzen zu können. Seine Gedanken drifteten zu Josephine, dem wunderbaren Gefühl, eins mit ihrem Körper zu sein. Er hätte ihr gern mehr Zeit geschenkt, viel mehr Zeit und mehr Beherrschung. Er wollte sie stundenlang verwöhnen, liebkosen und ihr wahre Befriedigung verschaffen. Schmerzvoll war es gewesen, sie so schnell verlassen zu müssen. Er hatte es überstürzt. War Opfer seiner Gelüste geworden und bereute dennoch nichts. Alles warviel zu schnell vorbeigewesen, aber es hatte seinen und ihren Hunger ins Unermessliche getrieben und ließ ihn nach der Nacht lechzen, in der er endlich ganz ihr gehören würde. So lange, wie sie es wollte. So oft, wie sie es wollte.
    „Mein Ziel ist immer dasselbe gewesen“, erklang irgendwann Absás Stimme. „Ich will, dass unser Stamm lebt. Ich will, dass sein Geist stark bleibt. So lange, bis die Welt der Weißen untergeht und die Zeit der Jäger und Wanderer zurückkehrt.“
    Nathaniel sah zwei Silhouetten aus dem Dunkeln auftauchen. Unverkennbar war Absás gebeugte, dürre Gestalt, gehüllt in das hirschlederne Kleid, das inzwischen auf ihrer Haut verfaulte. Hinter ihr trug ein Mann seine schwere Last und ächzte unter dem Gewicht der Ledertaschen. Die gramgebeugte, vor ihrer Zeit gealterte Gestalt schürte Nathaniels Wut.
    „Die Macht hat dich vergiftet.“ Er zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn auf die Sehne seines Bogens. „Du bist wie jene geworden, die du hasst. Selbst, wenn dir alles gehören würde, wäre dein Hunger nicht gestillt. Du bist blind vor Gier. Du siehst und spürst nichts mehr außer dem Rausch der Macht. Es ist sinnlos, die Übermacht der Weißen zu bekämpfen. Das schafft niemand.“
    So schnell, dass kein menschliches Auge dem Ablauf der Bewegungen hätte folgen können, spannte Nathaniel den Bogen, zielte und schoss. Dumpf durchschlug die steinerne Spitze des Pfeiles Absás Stirn. Zurückgeworfen von der Wucht des Schusses, prallte die Alte gegen einen Baumstamm und sackte zur Seite.
    „Du rettest uns nicht, du versklavst uns.“ Angewidert beobachtete er, wie der Mann Trommel und Taschen fallen ließ, um neben der Schamanin in die Knie zu gehen und den Pfeil aus der Stirn zu ziehen. Fürsorglich zog er sie auf die Beine, wonach Absá, beseelt von einer Kraft, die den skelettartigen Körper Lügen strafte, ihr blutbeflecktes Kleid glatt strich.
    Nathaniel wartete, bis sich das Loch in ihrem Kopf geschlossen hatte. Als die Finger der Alten über das frische Narbengewebe tasteten, legte er erneut an und schoss einen Pfeil in ihre Brust. Wieder warf es sie zu Boden, wieder half der Mann ihr auf und zog das Geschoss aus ihrem Fleisch. Das Funkeln seiner eingefallenen Augen täuschte nicht darüber hinweg, dass er irgendwo auf einer tief vergrabenen Ebene gegen seine Fesseln aufbegehrte. War da nicht ein Funken Befriedigung, als er der wütend gurgelnden und Blut spuckenden Absá das Haar aus dem Gesicht strich?
    „Warum tust du das?“, fragte er vorwurfsvoll.
    „Weil es mir Vergnügen bereitet, dieses Miststück zu töten.“ Nathaniel war mit vier raumgreifenden Schritten bei ihnen, packte den Kopf der Schamanin und drehte ihn nach hinten, ehe sie ihn mit einem Fluch überschütten konnte. Das trockene Knacken ihres Genicks war Musik in seinen Ohren. Er griff den schlaffen Körper, warf ihn zu Boden und zog einen weiteren Pfeil aus dem Köcher. Schwungvoll trieb er ihn durch Absás Herz.
    „Nein“, fauchte der Alte. „Du machst sie nur wütend.“
    „Von mir aus.“ Nathaniel deutete ein angewidertes Ausspucken an. Absá wollte Angst und Erniedrigung, doch diesmal sollte sie weder das eine noch das andere bekommen. „Wenn es nach mir ginge, könnten wir den ganzen Abend so weitermachen.“
    „Hör auf.“
    „Du willst mir befehlen, Grabgemüse?“
    „Nein“, wimmerte der Alte, als Nathaniel der Schamanin einen Tritt in die Seite verpasste, dass ihr dürrer Körper ein paar Mal herumrollte. „Das hilft dir nicht. Es zerfrisst dich nur.“
    „Es hilft mir sehr wohl. Sie ist nicht die Einzige, die sich am Leid anderer ergötzt.“
    „Wie sollen Zorn und Hass dir

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