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"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sontheimer
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konspirativen Wohnung in Nürnberg. Da etliche RAF-Kader sofort das Feuer eröffnet hatten, um einer Festnahme zu entgehen, machten Polizisten nun im Zweifelsfall keine Gefangenen mehr. Drei Wochen nach dem Tod von Dycks verletzten Fahnder Rolf Heißler bei seiner Festnahme in Frankfurt lebensgefährlich durch einen Kopfschuss.

    Anfang 1979 hatte sich etwa die Hälfte der Gruppe in Aden im Lager der Palästinenser eingefunden. Man übte nicht nur mir Pistolen, sondern auch das Schießen mit panzerbrechenden Waffen. Obwohl Brigitte Mohnhaupt ihren Freund Boock immer noch verteidigte, kam die Gruppe überein, ihn auszuschließen. Weil er andere belogen habe, erinnert sich Susanne Albrecht später, und weil er »durch seine Drogensucht bewusst« drei Mitglieder der Gruppe habe »hochgehen lassen«. 3

    Erst im Juni 1979 schlug die RAF zum ersten Mal seit dem Deutschen Herbst des Jahres 1977 wieder zu. Unweit von Brüssel zündete Rolf Klemens Wagner per Funk in einem unter eine Straße getriebenen Stollen einen Sprengsatz, als der Nato-Oberbefehlshaber für Europa Alexander Haig auf dem Weg zum Hauptquartier war. Da Wagner den Plastiksprengstoff Sekundenbruchteile zu spät zündete, erlitten nur drei Personenschützer in einem Begleitfahrzeug leichte Verletzungen. Die Erklärung des »kommandos andreas baader« endete mit dem Satz: »der kampf hört nie auf.«

    Die Durchhalteparole galt allerdings nicht für die gesamte Gruppe. Ende 1979 war endgültig klar, dass acht Mitglieder die RAF verlassen wollten. »Ich hatte zu viel Angst, irgendetwas zu machen«, sagte einer von ihnen später. Auch Susanne Albrecht wurde dafür kritisiert, dass sie keinerlei Initiativen entwickle. Die Überzeugten nannten die Zaudernden »Fehler«. Sie in die RAF aufzunehmen, sei ein Fehler gewesen. »Die Tanten konnte man kaum zum Brötchenholen schicken«, lästerte Boock später über Albrecht, Sternebeck und Maier-Witt.

    Mohnhaupt und Klar - nachdem Boock in Ungnade gefallen war, das Führungspaar - suchten nach einer Möglichkeit, die Fehler sicher unterzubringen. Zunächst mussten die Aussteigewilligen ihre Waffen abgeben. In zwei Wohnungen in Paris und dann in einem Ferienhaus in Quiberon in der Bretagne warteten sie darauf, dass ein sicheres Exil für sie organisiert würde. Ein sozialistisches Land in der Dritten Welt lag nahe. Um sich für ein neues Leben in Mosambik oder Angola vorzubereiten, lernten die Aussteiger schon einmal Portugiesisch. Doch es kam anders.

    Die Fäden zog eine Fachkraft des deutschen Terrorismus: Inge Viett, vormals führende Figur der anarchistischen Bewegung 2. Juni, deren versprengte Reste sich gerade der RAF angeschlossen hatten. Im Frühjahr 1978 hatte sie auf dem Ost-Berliner Flughafen Schönefeld den Stasi-Major Harry Dahl kennengelernt; als sie kurz darauf in der ČSSR zusammen mit zwei anderen Frauen festgenommen wurde, eilte Genosse Harry sofort nach Prag - und eiste das Trio los.

    Ende Mai 1980 reiste Viett nach Ost-Berlin. Aus einer Telefonzelle rief sie Dahl an, den Leiter der für Terrorabwehr zuständigen Hauptabteilung XXII. Mit ihm und einem seiner Mitarbeiter besprach sie schon ein paar Stunden später in einem konspirativen Objekt in Klein-Köris, südlich von Berlin, die Exilpläne. Die Stasi-Männer rieten von Afrika ab. Erstens sei die politische Lage dort instabil und zweitens würde eine Gruppe von Weißen in einem afrikanischen Land sofort auffallen. Zur großen Überraschung Vietts machten die Stasi-Genossen einen Gegenvorschlag: »Warum tauchen die nicht bei uns unter?«

    Dahl schilderte Stasi-Chef Erich Mielke das Problem und der Genosse Minister sagte nur: »Dann kommen sie doch einfach zu uns.« Die Aufnahme der RAF-Aussteiger, erklärte Dahl dann Viett, sei eine Entscheidung der »Hoheitsträger der Deutschen Demokratischen Republik«. Ob Erich Honecker in die riskante Operation eingeweiht war, ist nicht bekannt, aber wahrscheinlich. Die DDR-Führung ging dabei ein hohes Risiko ein: Hätte die Bundesregierung von der Aufnahme ihrer Todfeinde erfahren, wäre es trotz aller pragmatischen Entspannungspolitik zu einer schweren Krise zwischen Bonn und Ost-Berlin gekommen.

    Christian Klar und Wolfgang Beer reisten in die DDR, um Einzelheiten des Asyls zu besprechen. Sie brachten schriftliche Ausführungen der Aussteiger mit, in denen diese ihre Rolle bei der RAF und die von ihnen begangenen Straftaten geschildert hatten. Terroristen, die Morde begangen hatten, so sagten die

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