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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Durcheinander, um unerkannt zu verschwinden.
    Sie erinnerte sich später nicht, wie sie die paar Kilometer vom Quartier zur BnF, der Bibliothèque nationale de France, in ihrem Zustand zurückgelegt hatte. Wie im Traum stand sie nun am Informationsschalter, nahm den fruchtlosen Dialog mit der Angestellten wahr, als sei sie nur unbeteiligte Zuschauerin. Stoisch spulte sie die illustren Namen von Rosenbergs Liste herunter, um zu erfahren, ob und wo sich die Herren hier zu treffen beliebten. Ebenso stoisch fielen die Antworten aus. Man bedaure, grundsätzlich keine Auskunft über Besucher geben zu dürfen. Es war zwecklos. Sie musste sich besser vorbereiten, wenn sie hier weiterkommen wollte.

KAPITEL 11
     
Place Jussieu, Paris
    L eo warf die Zeitung in den Papierkorb vor dem Aufzug zu Professor Fabres Büro. Sie hatte den Zeugenaufruf gesehen, aber nichts davon gelesen, dass man ihre Unterhaltung mit dem Opfer unmittelbar vor seinem gewaltsamen Tod beobachtet hatte. Ich werde schon noch auspacken, verlasst euch drauf , dachte sie erregt, aber die Zeit war noch nicht reif dafür. Sie musste der Wahrheit sehr nahe sein, wenn man nicht davor zurückschreckte, einen Informanten vor ihren Augen regelrecht hinzurichten. So erschüttert sie auch über die grauenhafte Tat war, so entschlossen machte sie weiter. Dass sie selbst in die Schusslinie kam, kümmerte sie wenig. Einzig, auch mit Audrey nicht über ihre Rolle beim Attentat im Quartier Latin sprechen zu dürfen, bereitete ihr erhebliches Kopfzerbrechen. Früher oder später würde sie jemanden zum Reden brauchen, um die Schuldgefühle zu verarbeiten. Natürlich machte sie sich Vorwürfe. Ohne ihre hartnäckige Suche nach dem Phantom wäre René Jacob vermutlich noch am Leben. Selbst als Psychiaterin fiel ihr schwer, sich immer wieder überzeugend einzureden, dass nicht sie ihn umgebracht hatte. Die Schuld lag einzig und allein beim Mörder und seinen Hintermännern. Für sie war klar: die tödlichen Schüsse waren keine Zufallstreffer, es war das Werk des Colonel und seiner Bande. Sie war keine Kriminalistin wie ihre Tochter, stellte sich keine der wichtigen Fragen zu ihrer eigenen Sicherheit, die sie sich hätte stellen müssen. Sie wollte nur den wahren Grund erfahren, weshalb ihre große Liebe sterben musste.
    Professor Damien Fabre empfing sie freundlich, aber doch mit einer Zurückhaltung, die gar nicht mehr zum liebenswürdigen Werben beim letzten Gespräch passte. Er war nicht unhöflich, eher abwesend, hörte ihr nur mit halbem Ohr zu.
    »Sie glauben allen Ernstes, dass dieser sogenannte Colonel hier in unserer schönen Stadt sein Unwesen treibt?«, lächelte er. Der spöttische, fast mitleidige Ausdruck auf seinem Gesicht sagte deutlich, was er von dieser Meinung hielt.
    »Ich habe allen Grund dazu.«
    »Verzeihen Sie, aber ich fürchte, Sie steigern sich da in etwas hinein. Ich verstehe sehr gut, dass Sie eine Erklärung suchen für den Verlust, den Sie erlitten haben. Aber als unbeteiligter Zuschauer scheint mir die Fixierung auf dieses Phantom doch eher eine Art Projektion zu sein.«
    Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Die Frage habe ich mir unzählige Male selbst gestellt, Professor, und jedes Mal war die Antwort eindeutig. Ich bin sicher, dass meine Vermutung in die richtige Richtung weisen. Der Mann ist äußerst geschickt und einflussreich. Ich bin jetzt auch überzeugt, dass dieser Geheimbund existiert, von dem ich gehört habe.« Sie nannte ihm einige der Namen von Rosenbergs Liste. »Ich habe um diese Unterredung gebeten, weil ich annahm, Sie könnten mir mehr über diese Leute sagen, ihr Umfeld, ihren akademischen Hintergrund zum Beispiel.«
    »Geheimbund«, lachte er. »Hört sich an wie eine neue Verschwörungstheorie über die Illuminati, das müssen Sie zugeben.«
    »Illuminati trifft den Nagel auf den Kopf«, antwortete sie störrisch. »Jedenfalls scheinen sich diese Herren der feinen Gesellschaft als exklusiven Kreis Erleuchteter zu verstehen.«
    Ein leiser Dreiklang lenkte Fabres Aufmerksamkeit auf seinen PC-Bildschirm. Während er die neue Nachricht las, sagte er in Gedanken versunken: »Sie sind wirklich überzeugt von Ihrer Theorie, nicht wahr?«
    »Sonst wäre ich nicht hier. Können Sie sich nicht vorstellen, dass sich diese Leute mittels fragwürdiger Hirnkosmetik Vorteile verschaffen und das geheim halten wollen?«
    Er antwortete nicht gleich. Stattdessen runzelte er die Stirn und tippte ärgerlich eine Antwort in seinen

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