Natur
späteren Lebensphasen nieder schlägt, haben auch Thompson und Mitarbeiter (2008) heraus gefunden. Die Forscher führten im Zeitraum zwischen 2000 und 2003 zwei umfangreiche Projekte in geografisch unterschiedlichen Gebieten in Großbritannien durch, um den Einfluss von Erfahrungen mit Naturumwelten in der Kindheit auf die Naturverbundenheit und die Einstellungen zur Natur im Erwachsenenalter zu bestimmen. Im ersten Projekt wurde die Nutzung eines Waldgebiets in Schottland durch die Bewohner von fünf Kommunen im Bereich zwischen Edinburgh und Glasgow untersucht. Im zweiten Projekt wurde die Nutzung von 16 unterschiedlichen Naturgebieten (Waldgebiet, Naturreservat, regionaler Park, Stadtpark) in den östlichen Midlands in England durch die Bewohner aus sechs Kommunen analysiert. Im Zentrum der durchgeführten Interviews standen die Fragen, wie oft die betreffenden Naturgebiete besucht werden und wie oft man als Kind mit ähnlichen Gegenden in Berührung gekommen ist. In beiden Projekten zeigte sich, dass knapp 40% der Befragten das jeweilige Gebiet mindestens einmal pro Woche aufsuchen und dass die Häufigkeit des Besuchs signifikant mit der erinnerten Häufigkeit des Aufenthalts in Naturgebieten im Kindesalter korreliert. Das Resümee lautete: Die Häufigkeit des Besuchs in der Kindheit ist ein starker Einflussfaktor, wie oft sich ein Mensch im Erwachsenenalter ins Grüne begibt (Thompson et al., 2008). Den Einfluss früherer Naturerlebnisse auf das Verhältnis zur Naturim Erwachsenenalter bezeichnete das Forschungsteam als «Kindheits-Faktor».
Das Konzept der «Landschaften der Kindheit» von Sebba (1991) fügt sich hier ein. Sebba hat in Israel parallel Erwachsene und Kinder befragt. Die Frage an die Erwachsenen war, welcher Ort in der Kindheit für sie von besonderer Bedeutung gewesen ist und welche Erfahrungen sie dort gemacht haben. Die Kinder aus einer ländlichen und einer städtischen Gegend, acht bis elf Jahre alt, sollten Auskunft über ihren gegenwärtigen Lieblingsort geben und anschließend daran ihre dortigen aktuellen Erfahrungen beschreiben.
Insgesamt 97% der befragten Erwachsenen bezeichneten «im Freien» oder «die freie Natur» als wichtigsten Ort der Kindheit. Eine typische Erklärung, warum gerade dieser Ort so wichtig war, lautete: Dort sehe ich mich selbst als Kind (Sebba, 1991, S. 401). Prägende Orte der Kindheit, an die man sich als Erwachsener erinnert, sind vor allem Außenbereiche, wobei bemerkenswert war, dass sich diese Außenbereiche nicht in jedem Fall in der Nähe der eigenen Wohnung befunden haben. Ein solcher Ort war beispielsweise der Garten der Großeltern.
Zu den von den Erwachsenen erinnerten und von den Kindern aktuell genannten Naturelementen der «Landschaften der Kindheit» gehören Himmel, Meer, ungepflasterte Erde, Bäume, Gras und Blumen, verschiedene Tiere, Wind, Wetter, Lichtphänomene, Vogelgesang, Blätterrauschen, Felsen und Steine, also typische Elemente natürlicher Umwelten.
Bei den Kindern war das Interesse am Draußen sein deutlich geringer: Nur 46% der Kinder gegenüber 97% der Erwachsenen lokalisierten ihre wichtigsten Orte im Außenraum. Ein Unterschied zeigte sich zwischenKindern im ländlichen Raum und Stadtkindern. Bei den ersteren befindet sich der Lieblingsort häufiger draußen, bei Stadtkindern häufiger drinnen.
Abbildung 2-23: Naturerleben in der Kindheit (eigenes Foto)
Den Wirkungsmechanismus des Kindheits-Faktors haben Schneewind & Pekrun (1994) analysiert, wobei sie von der Prämisse ausgegangen sind, dass der Mensch kein durch Reflexe und Instinkte gesteuertes Wesen ist, sondern dass seine hohe Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Umweltbedingungen auf seiner Fähigkeit zur Erfahrungsbildung beruht, die es ihm ermöglicht, sich den äußeren Bedingungen anzupassen und die Umwelt passend zu machen. Was an Erfahrungsbildung zusammen kommt, wird wesentlich davon bestimmt, mit welchen Umwelten der Mensch in Berührung kommt. Durch unterschiedliche Erfahrungen mit Naturumwelten bilden sich dementsprechend unterschiedliche Natur-Beziehungen heraus. Diese sind vergleichsweise stabil im Langzeitgedächtnis repräsentiert. Die Prägung durch die Landschaft der Kindheit erfolgt über die Erfahrungsbildung sowie die internen Repräsentationen der Erfahrungen. Der Kontakt mit Naturumwelten in jungen Jahren ist so etwas wie eine Weichenstellung.
Dass die Vorliebe für das Wohnen im Grünen oder in der Stadt mit der Umwelt der Kindheit im
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