Natur
Zusammenhang steht, belegen außer den Forschungsergebnissen die Biografien von Künstlern. Wer seine Kindheit an der Meeresküste verbracht hat, ist mit dieser Landschaft verbunden. Sie prägt mehr oder weniger das künstlerische Schaffen. Der Komponist Benjamin Britten wuchs an der Meeresküste in Ostengland auf. Vom Haus seiner Eltern schaute er direkt aufs Meer. Zu seinen frühen Eindrücken gehörten die Stürme, die die Schiffe und das Land bedrohten 31 . In etlichen seiner Kompositionen spielt das Meer eine Rolle.
Das Draußen sein und das Erleben der Natur in der Kindheit sind nicht nur für die kognitive, soziale und motorische Entwicklung von Bedeutung, sondern auch für die Herausbildung von Naturverbundenheit und Umweltidentität, was man als «ökologische Entwicklung» oder Umweltlernen bezeichnen kann. Wald- und Naturkindergärten sowie städtische Naturerfahrungsräume haben die Zielsetzung, die ökologische Entwicklung zu fördern (Schemel, 2008).
Wichtige Gründe, sich im Umweltbereich zu betätigen, sind zusammenfassend (vgl. Chawla,1998):
•positive Erfahrungen in der Natur, erwachsene Vorbilder, Bekanntschaft mit Umweltorganisationen, Umweltbildung
• konkrete Erfahrungen mit der Zerstörung von Natur, Aussagen über Umweltschäden in Büchern und anderen Medien.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Menschen die persönlich wichtigen Lebensereignisse und früheren Erfahrungen aus einer bestimmten Perspektive heraus erinnern. Die erhöhte Natursensibilität derjenigen, die im Naturschutz und in der Umwelterziehung tätig sind, führt zu einem selektiven Erinnern. Dies schmälert aber keinesfalls den Einfluss des Kindheits-Faktors, der als «Initial-Zündung» gesehen werden kann.
Touristen und Einheimische
Die Frage, wie die Landschaft wahrgenommen wird, ist nicht nur von akademischem Interesse. Vor allem in Ländern, in denen der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, werden Forschungsprojekte zur Landschaftswahrnehmung durchgeführt. So beschäftigen sich z. B. die Forscher in der Forschungsanstalt in Birmersdorf in der Schweiz mit der Frage, wie die Touristen die Landschaft erleben. Die Einheimischen (locals) dienen ihnen dabei als Vergleichsgruppe. Kagelmann & Keul (2005) unterscheiden ähnlich zwischen «Reisenden», also den Touristen, Urlaubern und Gästen, und den «Bereisten», zu denen sie die Einheimischen, die Gastgeber und die touristischen Dienstleister rechnen.
Eines der theoretischen Konzepte als Grundlage, um solche Vergleiche anzustellen, ist bei den Forschern in Birmersdorf der sense of place. Die Ausgangsüberlegung ist, dass Orte je nach sozialem, kulturellem und ökonomischem Hintergrund eine unterschiedliche Bedeutung für einen Menschen haben (Kianicka et al., 2006). Einheimische und Touristen haben in Bezug auf einen bestimmten Ort unterschiedliche ökonomische Interessen, sie sind nicht oder ziemlich bis stark sozial eingebunden, und nicht selten ist ihr kultureller Hintergrund unterschiedlich.
Hunziker (1995) verglich die Ansichten von Einheimischen und Touristen über eine Region im Engadin in der Schweiz, die brach gelegen hatte und dann wiederaufgeforstet worden war. Die Ansichten, wie sich die Wiederaufforstung auf das Erscheinungsbild auswirkt, weichen deutlich voneinander ab. Kianicka und Mitarbeiter (2006) stellten die Aussagen von Einheimischen und Touristen im Dorf Alvaneu im Schweizer Kanton Graubünden einander gegenüber. Sie gelangten dabei zu einem ähnlichen
Ergebnis wie Hunziker. Wie die mit Einheimischen und Touristen geführten Interviews ergaben, sind die individuellen, sozialen und existentiellen Bedürfnisse bezogen auf das Dorf unterschiedlich und auch unterschiedlich wichtig. Für die Touristen stehen ästhetische Aspekte und die Eignung des Orts für die gewünschten Freizeitaktivitäten an erster Stelle, für die Bewohner hat das Dorf existentielle und soziale Bedeutung; es ist für sie der Ort der Kindheit, der Wohnsitz der Familie und des sozialen Eingebundenseins (vgl. Tabelle 2-8 ).
Tabelle 2-8: Bedeutung des Dorfs für Einheimische und Touristen (Kianicka et al., 2003, S. 62)
Ein abgelegenes Gebirgsdorf oder ein Ort an der Nordsee ist nur aus der Sicht der Touristen eine Kontrastwelt, für die Einheimischen ist das Dorf im Gebirge oder die Meeresküste alltäglicher Lebensraum. Die Menschen, die in einem Bergdorf leben, und die Touristen, die das Dorf pittoresk finden, haben offensichtlich einen unterschiedlichen sense
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