Natur
ist eine Botschaft.
AF: In welchen Formen sollte Natur in der Stadt verwirklicht werden?
AK: Pflanzen als Bodendecker sind eine Perversion, der Masseneinsatz von Pflanzen stellt immer eine Vergewaltigung der Natur dar. Statt Bodendeckern braucht man Pflanzen, an denen man den Wechsel der Jahreszeiten ablesen kann. Pflanzen in der Stadt erzeugen außerdem ein bestimmtes Flair, eine bestimmte Atmosphäre.
Dazu ein Beispiel: Präriepflanzen, die in Amerika heimisch sind, tragen Weite, nämlich die Weite der Prärie, in die Stadt hinein.
In Deutschland könnte das die Heide sein. Jede Region hat etwas Spezifisches. Diese regionale Natur, die wieder in die Städte kommen wird, prägt die Stimmung der Stadt. Hierbei kommt es nicht auf Quantität sondern auf Qualität an. Denn es geht nicht um so und so viel Quadratmeter Grünfläche, sondern um die Erzeugung von Atmosphäre. So kann es sein, dass eine Stadt grün wirkt, obwohl gar nicht so viel Grün da ist. Sie macht aber einen grünen Eindruck.
AF: Man kann also gar nicht sagen, wie viel Grün es in der Stadt geben sollte?
AK: Es wird in Zukunft immer mehr darum gehen, das Grün mit dem öffentlichen Raum zu verflechten, Barrieren abzubauen, neue Verbindungen zu schaffen und komfortable Aufenthaltsqualitäten anzubieten. Dabei kann ein gut positionierter Baum mehr wert sein als zwanzig willkürlich positionierte Artgenossen.
AF: Wie sieht es mit der Bürgerbeteiligung in den «green cities» aus?
AK: Das Gärtnern der Bürger, indem sie zum Beispiel den eigenen Vorund Hausgarten hegen und pflegen, ist nur ein Anfang. Das «city gardening» ist ein Schritt weiter: Die Bürger kultivieren die Flächen in öffentlichen Räumen. Hier bieten sich bemerkenswerte Sinn stiftende Betätigungsfelder für die nicht mehr erwerbstätige Bevölkerung an. Weiter geht es mit Investitionen für den Stadtumbau in Form von City Fonds. Anstelle des Ökogedankens ist der Wirtschaftsgedanke getreten: die grüne Stadt als life style und als Geldanlage. Noch ein anderer Punkt, die Beteiligung der Bürger betreffend: Planung kann heute nicht mehr allein am Schreibtisch erfolgen, die Stadtentwicklung geschieht vor Ort mit den Menschen, die dort leben.
AF: Ist «Nachhaltigkeit» vielleicht nur ein Schlagwort?
AK: Nachhaltigkeit hat etwas mit Gartendenken zu tun. Keiner holt aus dem Boden das Letzte raus. Verallgemeinernd: Nicht alles, was wir können, sollten wir auch tun.
AF: Der Erholeffekt von Natur ist unbestritten. Es gibt etliche empirische Befunde dazu. Sind Erholung und Gesundheit Themen, die die grüne Stadt voran bringen können?
AK: Die Gesundheit wird immer wichtiger. Schon aus diesem Grund braucht man grüne Städte. Beispielsweise liegt Mailand 80 Tage im Jahr über dem Feinstaub-Limit, was Bronchialbeschwerden zur Folge hat. Das Pflanzen von Bäumen ist aus diesem Grund auch ein Gesundheitsthema.
AF: Zum Schluss noch die Frage zum Verhältnis von gebauter Umwelt und Natur. Offensichtlich ist man auf dem Wege zu einer Symbiose? Die frühere Kontrastierung von Natur und Kultur ist wohl nicht mehr up to date?
AK: Positive Beispiele sind das Zusammenwirken von Karl Friedrich Schinkel und Peter Joseph Lenné im 19. Jahrhundert sowie die Zusammenarbeit von Leberecht Migge und Ernst May, die in den 1920er Jahren die Ansätze der Gartenstadtbewegung mit den Zielen des Neuen Bauens verknüpft haben. May setzte dabei auf eine einfache Bauweise mit vorgefertigten Bauteilen, funktional optimierten Grundrissen und einem hohen Freiraumbezug. Es fand auf diese Weise eine Korrespondenz zwischen Gebautem und der freien Landschaft statt. Diese Korrespondenz geht verloren, wenn es schnell gehen muss, wenn, wie zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg, erst einmal Wohnungsraum geschaffen werden muss.
Wir sind dabei, unsere Städte zu schleifen. Im 19. Jahrhundert wurden aus Wallanlagen Parkanlagen. Heute bauen wir Barrieren des Industriellen Zeitalters ab und gestalten die Stadt wieder flüssig. Man füllt nicht mehr nur irgendwelche Lücken, sondern schafft neue Lebensadern für den Organismus Stadt. Auch durch diese Entwicklung verschwinden die Gegensätze zwischen gebauter und natürlicher Umwelt, es entsteht eine symbiotische Beziehung zwischen Natur und Kultur. In der grünen Stadt ist der Gegensatz zwischen Natur und Kultur aufgehoben. Die grüne Stadt lehnt sich stattdessen immer mehr an die Kultur an. Die romantische Natur spielt dabei jedenfalls keine zentrale Rolle mehr.
Grün
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