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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H Reichholf
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Verbesserungen zugänglich gemacht werden.
    Vermutlich wirken verschiedene Gegebenheiten zusammen, die für sich genommen gar nicht weiter auffallen. Es gibt also nicht lediglich eine Wurzel. Das im letzten Kapitel ausgebreitete Phänomen, das mit » Wir gegen die anderen« umschrieben ist, reicht ganz offensichtlich nicht aus, die weitverbreitete Ab- und Aufwertung der verschiedenen Hautfarben zu begründen. Ebenso ist es höchst unwahrscheinlich, dass rassistische Reaktionen ausschließlich erlernt und durch Tradition weitergegeben werden. In dieser unbefriedigenden Situation könnte es hilfreich sein, weit auszuholen. Vielleicht findet sich dann ein anderer Ansatzpunkt, um dem Phänomen näher zu kommen.
    Zwei Gegebenheiten möchte ich an den Beginn solcherart ausgreifender Betrachtungen stellen. Die erste ist allgemein bekannt. Wir pflegen (fast) alles in zwei große Kategorien aufzuteilen. Im weitesten Sinne bedeuten sie » gut« und » schlecht«, » ja« oder » nein«, Zustimmung und Zuwendung auf der positiven und Ablehnung oder Abwendung auf der negativen Seite. Auch im » Wir« und » den anderen« steckt diese Aufteilung. Dabei handelt es sich formal um die einfachste Form des Urteilens, das im deutschen Wort ganz klar ersichtlich das » Teilen« enthält. Freund und Feind werden ebenso voneinander geschieden wie nah und fern, hell und dunkel und so fort. Überall finden wir diese Begriffspaare. Daraus ist zu schließen, dass wir nach einfachen, für uns klaren Urteilen suchen. Unklare, schwammige, vieldeutige Urteile behagen uns nicht, auch wenn sie dem Kenntnisstand angemessener wären.
    Von dieser Betrachtungsweise ist natürlich auch die Wissenschaft durchdrungen. Wir suchen (das heißt wir streben intensiv!) nach klaren Ergebnissen, um urteilen zu können. Wo das nicht möglich ist, muss weitergeforscht werden. Da das viel zu lange dauern kann, stellen wir Theorien auf, behaupten damit, dass es sich so und nicht anders verhält – und glauben unversehens selbst felsenfest an die Richtigkeit der Theorie. Doch eine gute Theorie sollte widerlegbar sein. Zumindest aber veränderungs- und verbesserungsfähig. Sonst ist sie ein Dogma.
    Im 19 . Jahrhundert wurde unter dem Eindruck der Erkenntnisse Darwins zur Evolution die Überlegenheit der Weißen schnell zum Dogma. Die Kolonialpolitik schien es zu bestätigen. Zwei Weltkriege waren nötig, das Dogma von der Überlegenheit einer bestimmten Rasse zu Fall zu bringen. Es muss noch mehr hinter diesem Dogma stecken, sonst hätte es die eine Seite nicht so selbstherrlich über sich verbreiten können und die andere Seite nicht so resignierend hingenommen. Militärische Erfolge reichen als Erklärung ebenfalls nicht aus. Wurde deshalb so oft die geistige Überlegenheit mit der Hautfarbe in Verbindung gebracht? Unsinnig, wie die Faktenlage beweist, aber leider erstaunlich erfolgreich, wie die historischen Entwicklungen zeigen.
    Beschäftigen wir uns stattdessen mit der Spaltung in Weiß und Schwarz ganz allgemein. Warum benutzen wir Wendungen, wie » da sehe ich schwarz«, » schwarzer Tag«, » schwarze Seele«, » finsteres Aussehen« im Kontrast zu » Lichtgestalt«, » weiße Weste«, » strahlend schön«? Vielleicht verbirgt sich dahinter unsere Urangst vor der Finsternis. Sie ist der Nacht und dem Tod zugeteilt, das Licht dem Tag und dem Leben. Kinder haben Angst vor dem Dunkel, in dem sie nicht allein sein wollen. Wer sich durch die Finsternis schleicht, gilt als verdächtig, denn Diebe und Räuber tun das – und Mörder! Die Nacht versuchen wir möglichst taghell zu erleuchten und geben sehr viel Energie dafür aus. Fortschreitende Zivilisation zeichnet sich überall dadurch aus, dass künstliches Licht installiert wurde.
    Doch so viele Tiere sind im Dunkeln munter. Sie leben in der Nacht so normal, wie wir es für den Tag angemessen empfinden. Die Nacht ist die Zeit der Katzen. Dann weiten sich die am Tag zu schmalen Schlitzen zusammengezogenen Pupillen ihrer Augen. Hunde haben keine Angst vor der Nacht. Wir pflegen sie nur nicht hinauszulassen. Der Grund ist einfach zu erklären: Unseren Augen reicht das auch nachts vorhandene schwache Licht nicht aus. Wir sind » Tagtiere«, keine Nachtmenschen. Wer das von sich behauptet, bedient sich des künstlichen Lichts, um den Tag in die Nacht hinein auszudehnen. Warum wir so sind, ist auch klar. Wir haben an Farbensehen gewonnen, was wir an Helligkeitssehen verloren haben. Die Fähigkeit, die Welt » schön

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