Naturgeschichte(n)
bunt« zu sehen, Rot von Grün unterscheiden zu können, nahm uns unsere Orientierungsfähigkeit in der Nacht. Wie halb oder fast blind fühlen wir uns unsicher in der Dunkelheit. Den blinden Menschen sehen wir mit mitleidvoller Hilflosigkeit zu, wie sie sich durchs Leben tasten. Was verschließt sich dem Menschen, wenn das Augenlicht nicht mehr funktioniert! Hell und Dunkel sind allein aus diesem Grund stark emotional eingefärbt. Schwarz ist das Fehlen von Farbe, Weiß enthält alle Farben, lehrt die Physik, und beweist es mit dem Prisma, das das weiße Licht in das Spektrum seiner Farben zerlegt.
Wenden wir diese Befunde nun auf das Gesicht des Menschen an. Es gehört zu den unbewussten Selbstverständlichkeiten in der Kommunikation mit den Mitmenschen, dass wir aus ihren Gesichtern lesen. Vor der Sprache war das Gesicht das wichtigste Ausdrucksmittel. Im Deutschen benutzen wir zum Beispiel » Absicht« für etwas, das jemand vorhat. Die Absicht errät sich aus der Sicht auf das Gesicht! Diese zu verbergen, versucht man mit mehr oder minder Erfolg, je nachdem, wie man seine Mimik beherrscht. » Immer nur lächeln« ist eine Strategie, die anderen nicht » hineinschauen zu lassen«. Mit einer Maske wird das Gesicht verborgen. Sie taugt dazu, die Persönlichkeit eines Menschen zu verdecken. Persönlichkeit ist das, was aus dem Menschen spricht, unabhängig von der Maske der momentanen Stimmung oder Situation.
Die wohl älteste Form, die Aussagefähigkeit seines Gesichtes zu verbergen, war das Schwärzen mit Ruß. Der » Schwarze Mann«, gemeint war der mit Ruß Geschwärzte, der sich unkenntlich gemacht hatte, wurde zur drohenden Figur in der Kindererziehung. Die Schwärzung wirkt auf Anhieb Furcht einflößend, denn sie nimmt dem Gesicht die feinen Nuancen der Veränderung, die es uns ermöglichen, darin zu lesen. Daher müssen wir mit Urängsten rechnen, die geschwärzte wie schwarze Gesichter auslösen, und auch wenn Gesichter wie Masken wirken, mit skeptischer Zurückhaltung. Der Maske ist nicht zu trauen, dem frei zugänglichen Mienenspiel des Gesichtes schon, sagt uns die Intuition. Je stärker pigmentiert, desto maskenhafter und verdeckter wirken Gesichter.
In den meisten Kulturen gehört die Darstellung tiefer Emotionen zu den Kernstücken von Theatern – in einigen allerdings mit Masken. Das japanische N o - - Theater mit seinen gezielt übersteigerten Masken ist in dieser Hinsicht ebenso bezeichnend wie die in unserer Gesellschaft so verbreitete Pseudo-Maskierung durch das Schminken. Es soll verbergen, was andere nicht zu sehen brauchen, und vortäuschen, was so nicht existiert.
In einer Menschenwelt, die sich selbst permanent maskiert, weil sie ihr wahres Gesicht nicht zeigen möchte, verstärkt sich die latent vorhandene Angst vor dem Dunklen, dem Finsteren, dem emotional nicht frei und offen Zugänglichen. Vertraute Masken ängstigen nicht mehr. Vertrauten Gesichtern schenken wir Vertrauen. Der Weg zu einem umfassenden Vertrauen in die Menschheit in all ihrer Vielfalt ist eine der großen Herausforderungen, der wir uns alle stellen müssen. Dass ihn vielfach auch kulturelle und religiöse Hindernisse zusätzlich erschweren, macht den Silberstreif am ansonsten dunklen Horizont zum Lichtblick.
Die Kathedrale
und die Moschee
Braucht der Mensch
Religion zum Überleben?
Die Religionen versuchen, das Gegeneinander der Menschen zu überbrücken. Gerade die Weltreligionen heben die Gleichheit der Menschen hervor und lockern damit die ethnischen Schranken. Aber wie ist die Religiosität überhaupt zu verstehen? Braucht der Mensch eine Religion? Mal ganz abgesehen davon, dass sich jede Religion für die (einzig) richtige hält, kommt die Religiosität doch offensichtlich den Menschen zugute. Kann man ihre Entstehung evolutionsbiologisch verstehen?
Durchaus. Die Geschichte der Religionen gibt dazu jede Menge Hinweise. Und die gegenwärtige Forschung liefert überzeugende Befunde, die die Vorteilhaftigkeit der Religion zeigen. Zum Beispiel haben stark in ihre Religionsgemeinschaft eingebundene Menschen mehr überlebende Kinder und keine Probleme mit Vereinsamung oder Verarmung. Die Einbindung gibt ihnen mehr Sicherheit und Zukunft. Evolutionsbiologisch betrachtet, zählt der Fortpflanzungserfolg am meisten. Je mehr eine Gruppe zu den nächsten Generationen beiträgt, desto gesicherter wird ihr Überleben sein und umso mehr Bedeutung (Einfluss, Macht) gewinnt sie. Die Vereinzelten mit großer Kinderschar
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