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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H Reichholf
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die » Ungläubigen«, die ausgegrenzt und abgewertet wurden, weil sie eben nicht den » rechten Glauben« hatten.
    Mit der Ausweitung der auf die eigene Gemeinschaft bezogenen Rückbindung auf andere Gruppen als Religion kam ein ungeheuerer Machtzuwachs zustande. Königtümer und Kaiserreiche zerbrachen an ihr, heute scheitern daran die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft. Kein Wunder, dass das in der Entstehungsgeschichte so edel Gemeinte unter der Verlockung von Macht, Machtausweitung und Unterdrückung der Andersgläubigen die schlimmsten Konflikte innerhalb der Menschheit hervorrief, die Religionskriege und die Kriege religionsgleicher Ideologien (Kommunismus, Nationalsozialismus). Sie übertrafen sogar den Rassismus in der Zahl der Opfer bei Weitem. Nach wie vor sind Religionen und Ideologien die Hauptquellen für schwerste Konflikte unter Menschen. Sie lassen sich auch allzu leicht für wirtschaftliche Zwecke oder zur Ausweitung von Macht und Einfluss missbrauchen. Das Überlebensprogramm Religiosität wurde durch die Ideologisierung in den Religionen zum Vernichtungsprogramm. Es gab und es gibt immer noch » die Lizenz zum Töten«.

Der lustige Affenfelsen
    Warum hat die Natur die Liebe erfunden?

    Die Religion ist ein Phänomen, das es wohl nur beim Menschen gibt. Ein anderes ist die Liebe. Oder gibt es Liebe auch bei Tieren? Unterscheiden wir zunächst: Es gibt die Liebe, und es gibt den Sex. Doch die Liebe umfasst mehr. Sie schafft Bindung an den geliebten Partner – und Eifersucht. Liebe kann zum Wahnsinn treiben, gute Beziehungen zwischen Menschen zerstören. Sie hat viele Ausprägungen und nicht nur schöne. Die Mutterliebe richtet sich auf die Kinder und erhofft die dankbare Erwiderung. Aus Vaterlandsliebe erlitten Millionen Menschen den Heldentod. Hunderte Formen der Liebe haben die Gelehrten beschrieben. Wo soll man anfangen?
    Am besten doch beim Sex. Seine Bedeutung ist klar. Es geht um die Fortpflanzung. Ohne diese gibt es langfristig kein Überleben. Ein Individuum, das sich nicht fortpflanzt, ist ein totes Ende am Spross der Art. Leben allein reicht nicht. Es ist vergänglich. Nur wer Nachkommen zeugt, überlebt. Deshalb wird in der Natur für den Sex alles gegeben; mitunter sogar das eigene Leben. Und das nicht nur in den so viel zitierten, kuriosen Fällen von Spinnenweibchen und Gottesanbeterinnen, die schon bei der Paarung das Männchen auffressen und in Nahrung für den Nachwuchs verwandeln. Sehr häufig sterben die Eltern nach Paarung und Eiablage. Bei Lachsen sorgen die eigenen Kadaver für Futter der aus den Eiern schlüpfenden Brut. Manche Säugetier-Mütter verteidigen ihre Jungen selbst gegen übermächtige Feinde und riskieren das eigene Leben. Ein Fall von Mutterliebe?
    Stellen wir alle Liebesfragen noch ein bisschen zurück und bleiben wir beim Sex. Er ist » lustbetont«, befriedigt kurz, nicht selten zu kurz, und steigt als Verlangen umso mächtiger im Körper wieder auf. Sex scheint das Einzige zu sein, von dem man(n) nicht genug bekommen kann. Wie mancher Affe auch. Womit zugleich seine vorhin so klare Funktion infrage gestellt wird: Zum Zweck der Fortpflanzung sollte es reichen, wenn es Mann und Frau etwa alle drei Jahre einmal so richtig überkommen würde. Denn drei Jahre dauern Schwangerschaft und Kleinkindzeit bis zum Abstillen unter Naturbedingungen.
    Wenn es in der Steinzeit so gewesen wäre, hätte der Sex seine Fortpflanzungsfunktion erfüllt. Insgesamt zehn kurze Schübe über die dreißig Jahre zwischen Beginn und Ende der Fruchtbarkeit (Menarche und Menopause). Ein paar mehr hätte es noch geben können, weil nicht jedes Kind nach der Geburt die ersten kritischen Jahre überlebte. Dem war jedoch nicht so. Da können wir ganz sicher sein. Erstens ist und war in der menschlichen Gesellschaft irgendetwas vorhanden, das auf eine Sexualität schließen lässt, die mehr als nur der Fortpflanzung dient. Zweitens bereiten Einschränkungen der Sexualität große Schwierigkeiten, auch und gerade jenen Menschen, die ihr (offiziell) entsagen. Drittens sind die Menschen fast zu jeder Zeit zum Sex bereit. Weshalb es zu der nun tatsächlich sehr merkwürdigen Situation gekommen ist, dass Sexualität, die doch neues Leben schafft ( » schaffen soll«), tabuisiert wurde und der Akt als solcher » öffentliches Ärgernis« auslöste und » gegen die guten Sitten« verstieß.
    Unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen und all die anderen Affen auch, würden eine solche

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