Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H Reichholf
Vom Netzwerk:
für die rasche Bildung der Eier Proteine, also Eiweiß, zur Verfügung haben, und zwar viel Eiweiß. Denn ein volles Gelege kann ein Drittel des Körpergewichts ausmachen; bei manchen Vogelarten sogar noch mehr.
    Doch Eiweiß stammt in der Finkennahrung vor allem von Insekten. Die gibt es im Winter nicht oder nur an sehr schwer erreichbaren Stellen, an die nur einige wenige Vogelarten gelangen. Energie ist in Form von Stärke und Fett in den Samen der Winternahrung enthalten. Damit halten die Finkenmännchen die langen kalten Winternächte durch. Später beteiligen sie sich zwar an der Aufzucht der Jungen, aber die Weibchen tragen dennoch die Hauptlast der Fortpflanzung. Sie stecken die Energie, die von den Männchen für den Gesang verwendet wird, in den Flug ins Winterquartier und retour. Das kostet zwar mehr als das Singen der Männchen, ist aber günstiger für die Erhaltung und Vergrößerung der Eiweißreserven. Denn nur im Winterquartier gibt es Insekten und damit Eiweiß in ausreichender Menge. Man sieht: Das Detail ist zwar kompliziert, aber doch in sich schlüssig. Alte Finkenweibchen haben übrigens mehr Reserven. Sie können hierbleiben.
    Deutlicher sehen wir das bei den Amseln. Auch bei ihnen fliegen die meisten Weibchen zur Insektenkur in den Süden, während viele Männchen hierbleiben. An Orten jedoch, wo der Winter wenig Schnee und kaum scharfe Fröste bringt, überwintern mehr Weibchen, die wir an ihrer braunen Gefiederfärbung leicht von den schwarzen Männchen unterscheiden können.
    Andere Vögel, wie die so geschickt turnenden Meisen, finden auch im Winter Gelege von Spinnen oder überwinternde Eier von Schmetterlingen. Ihr Magen stellt sich um auf Sonnenblumenkerne und andere Körner, deren geringe, aber durchaus vorhandene Proteine den kleinen Meisen ausreichen, um Reserven für das Brüten anzulegen.
    Wieder andere fänden im Winter nicht genug und können sich nicht umstellen. Das sind Vögel, die sich nahezu ausschließlich von Insekten und Beeren ernähren. Weil es im Winter davon zu wenige gibt, müssen sie nach Süden ziehen; die reinen Insektenfresser am weitesten bis hinein ins tropische Afrika. Ein inneres Zeitprogramm veranlasst sie, unabhängig von der Witterung, im Spätsommer oder Frühherbst loszufliegen. Sie fliegen so lange, bis ihnen das Programm mitteilt, dass es jetzt genug ist. Dann sind sie am Ziel. Zur richtigen Zeit werden sie in ihrem Winterquartier wieder unruhig. In immer längeren Etappen fliegen sie nordwärts, bis sie am Ziel sind. Sie halten sich auf diese Weise gut an den Kalender.
    Zwischen dieser Gruppe der Fernzieher und jener der Vögel, die hierbleiben, schiebt sich eine weitere, sehr flexible. Sie enthält Arten wie den Star und die Feldlerche. Diese warten einfach ab, wie das Wetter wird. Sie bummeln im Herbst herum, weichen in wintermilde Regionen aus, wo der Boden nicht oder nur kurzzeitig gefriert, und kommen mit dem ersten Tauwetter wieder.
    Die verschiedenen Zugvögel gelten daher für die Menschen als Signal der Natur, dass der Winter zu Ende geht und wie die Jahreszeit fortschreitet. Da sie häufig mit den milden Luftmassen unterwegs sind, stimmt ihre Ankunft mit der Milderung durchaus oft überein – allerdings nicht immer. Dann gibt es große Verluste, wenn der Winter massiv zurückkehrt und die Zugvögel nicht mehr rechtzeitig zurückweichen können. Sollten sie nicht einfach etwas länger warten, bis das Wetter sich stabilisiert hat? Solche typisch menschlichen Sicherheitsüberlegungen sind aber in der Natur eher von Nachteil. Denn es sind die ersten Rückkehrer, die die besten Brutreviere besetzen können. Wer zu lange wartet, wer zu sehr auf Sicherheit bedacht ist, muss sich mit dem begnügen, was übrig bleibt. In der Menschenwelt ist das ja auch nicht wesentlich anders.
    Und der Storch? Auch er betätigt sich, was wenig bekannt ist, im Winter als Insektenfresser. Bei seiner Größe müssen diese aber auch groß und vor allem häufig genug sein. Daher zieht er in die afrikanischen Savannen, wo sich Heuschrecken in großen Mengen finden. Diese pickt er auf, eine nach der anderen. Als sehr guter Segelflieger nutzt er die Thermik im Herbst, um entlang von Gebirgsketten und, wie es scheint, auf unnötig langen Umwegen nach Afrika zu kommen. Im Vorfrühling geht es wieder mit Thermikunterstützung zurück. Der lange Weg lohnt sich. Die Störche müssen in guter Kondition ankommen, denn das Erzeugen von vier bis fünf großen Eiern, das Bebrüten

Weitere Kostenlose Bücher